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Italiens schlimmste Giftschleuder
Ein Mammutprozess gegen Stahlunternehmer und politisch Verantwortliche ist mit hohen Haftstrafen zu Ende gegangen
Mit hohen Haftstrafen endete am Montag einer der größten Umweltprozesse Italiens: Die früheren Besitzer und Firmenchefs der Ilva-Hütte in Taranto (Apulien), Fabio und Nicola Riva, wurden in erster Instanz eines Schwurgerichts zu 22 und 20 Jahren Haft verurteilt. Insgesamt saßen 47 Angeklagte sowie drei Gesellschaften auf der Anklagebank. Nach fünf Jahren und 329 Gerichtstagen dieses Mammutprozesses wurden weitere drastische Strafen ausgesprochen. So wurde der frühere Betriebsdirektor Luigi Capogrosso ebenso zu 21 Jahren Haft verurteilt wie der frühere Berater der Riva-Group, Girolamo Archinà. Sowohl für die Riva-Brüder als auch für die Topmanager hatte die Staatsanwaltschaft im Verfahren sogar jeweils 28 Jahre Haft wegen Umweltverschmutzung durch Giftstoffe gefordert.
Das Gericht sah es als erwiesen an, dass die Riva-Gruppe, die das Ilva-Werk von 1988 bis 2012 betrieb, wesentliche Auflagen nicht beachtete und damit großen Schaden im südlichen Apulien anrichtete. Ilva galt lange Zeit als wahre Giftschleuder, ein Drittel des gesamten italienischen Dioxinausstoßes entfiel auf die Eisen- und Stahlhütten des Konzerns.
Auch nach dem Besitzerwechsel im Jahr 2012 - zu dem Zeitpunkt stieg der indische Stahlkonzern ArcelorMittal ein - hatte sich an der dramatischen Situation nicht viel geändert. Ein Umstand, dem das Gericht Rechnung trug: Der aktuelle Generaldirektor Adolfo Buffo wurde zu vier Jahren Gefängnis verurteilt.
Dass Ilva seit Langem dem Niedergang geweiht war, mag angesichts der katastrophalen Umweltschädigungen nicht verwundern. Das Werk wurde Mitte der 1960er Jahre errichtet, zu einem Zeitpunkt, als die boomende italienische Wirtschaft großen Stahlbedarf hatte. Bereits 1971 schrieb aber der Umweltaktivist Antonio Cederna im »Corriere della Sera«: »Riva produziert 11,5 Millionen Tonnen Stahl in Taranto, doch bei den Investitionen von zwei Billionen Lire ist nicht im Geringsten an Maßnahmen gegen die Luftverschmutzung gedacht oder je ein Baum zum Schutz der Bevölkerung gepflanzt worden.«
Der Standort entwickelte sich, doch in gleichem Maße nahmen Gesundheits- und Umweltgefährdung zu. Nirgendwo anders im Land ist die Krebs- und Sterblichkeitsrate unter Kindern so hoch wie im Umfeld der Ilva-Stahlhütte. Im Juli 2012 zog die Regierung in Rom daher die Notbremse: Das Werk wurde quasi über Nacht geschlossen. Riva konnte die Umweltauflagen nicht erfüllen und meldete Konkurs an - ArcelorMittal übernahm und erhielt zunächst 10 000 der 14 000 Arbeitsplätze.
Seit mehr als zwei Jahren bemüht sich nun der Konzern, aus dem Unglücksunternehmen wieder auszusteigen. Doch eine endgültige Lösung konnte bislang nicht gefunden werden - schließlich war und ist Ilva der größte Arbeitgeber im südlichen Apulien. So hangelten sich Industrie und Politik von Kompromiss zu Kompromiss, begleitet von der juristischen Aufarbeitung, die vor fünf Jahren begann. Nicht nur die früheren Betreiber der Ilva-Hütte, auch politisch Verantwortliche aus den vergangenen Jahren gehören zu den nun Verurteilten. So erhielt der frühere linke Gouverneur von Apulien, Nichi Vendola, eine Haftstrafe von dreieinhalb Jahren. Der ehemalige Direktor der Umweltbehörde Arpa, Giorgio Assenato, wurde zu zwei Jahren Gefängnis verurteilt.
Die Anwälte der Riva-Gruppe kündigten nach Bekanntgabe des Urteils Revision an. Sie verwiesen darauf, dass das Familienunternehmen nach den Umweltauflagen 4,5 Milliarden Euro in die Ilva-Hütte investiert habe, um den Schadstoffausstoß zu vermindern. Außerdem hätte Riva weitere 1,2 Milliarden Euro für die Beseitigung von Umweltschäden gezahlt.
Ob ein Berufungsgericht den Anträgen der Verteidigung folgen wird, ist schwer absehbar. Bewohner der Region hatten bereits 2019 erfolgreich vor dem Menschenrechtsgerichtshof in Straßburg wegen Umweltverschmutzung und Gesundheitsgefährdung gegen den Riva-Konzern geklagt.
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