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Sechs weitere Jahre Duterte?
Die Verfassung der Philippinen erlaubt nur eine Präsidialamtszeit. Auf Rodrigo R. Duterte könnte im nächsten Jahr seine Tochter Sara folgen - mit ihm als Vizepräsident
Es geht um viel für Rodrigo R. Duterte, wenn am 9. Mai 2022 sein Nachfolger oder seine Nachfolgerin gewählt wird. Denn der philippinische Präsident fürchtet, vor dem Internationalen Strafgerichtshof in Den Haag wegen zahlreicher Menschenrechtsverletzungen angeklagt zu werden, unter anderem wegen circa 20 000 außergerichtlichen Erschießungen im Zuge seines Anti-Drogen-Krieges, aber auch wegen der brutalen Verfolgung linker Aktivisten und Gruppierungen. Erst am letzten Mai-Wochenende wurde wieder zwei langjährige Aktivisten der Nationalen Demokratischen Front der Philippinen ermordet. Reynaldo Bocala, NDFP-Friedensberater für die Region Panay, wurde zusammen mit seinem Begleiter Willy Arguelles in Barangay Balabag von Militär- und Polizeikräften bei der Vollstreckung eines Haftbefehls getötet. Auch Pater Rustico Tan, der 1987 das NDFP-Verhandlungsgremium leitete und als Friedensberater diente, wurde am Wochenende erschossen, während er in seinem Haus in Pilar auf der Insel Camotes schlief. Diese koordinierten Tötungen reihen sich ein in die lange Liste der von Duterte angeordneten und von Polizei- und Streitkräften verübten Morde an Friedensberatern der NDFP und mutmaßlichen Führern der Kommunistischen Partei und linken Bewegungen.
In den vergangenen fünf Jahren hat Duterte wiederholt versucht, die Amtszeitbeschränkungen des Präsidenten aufzuheben, entweder durch die Ausrufung des landesweiten Kriegsrechts oder durch Verfassungsänderungen, die von seinen Verbündeten im Kongress eingebracht wurden. Diese machtergreifenden Maßnahmen stießen auf heftigen Widerstand sowohl des Verteidigungs- und Militärapparats, der sich vehement gegen die Verhängung des Kriegsrechts aussprach, als auch der unabhängigen und oppositionellen Senatoren, die den Status quo der Amtszeitbeschränkung beibehalten wollen. Und so fürchtet Duterte mit dem Verlust des höchsten Amtes vor allem den damit einhergehenden Verlust seiner Immunität.
Um weiter geschützt zu sein, wird seit Monaten darüber spekuliert, ob Duterte nicht als Vizekandidat seines engen Vertrauten antritt, des Senators Christopher »Bong« Go. Der streitet zwar bisher selbst jegliche Ambitionen auf das höchste Amt der Nation ab, hat aber angedeutet, dass er eine Kandidatur in Betracht ziehen würde, wenn Duterte sich entscheidet, als sein Vizepräsident zu kandidieren. Duterte hingegen sagte, dass Go ihn um seinen Segen für eine Kandidatur gebeten habe, und bezeichnete den Senator auch schon einmal als »Präsidenten«.
Das Problem ist, dass Go eher zuverlässiger Apparatschik als ein charismatischer Politiker ist. Ohne Dutertes volle Rückendeckung wäre wohl bereits seine Kandidatur für den Senat 2019 aussichtslos gewesen. Und nun sprechen die Umfragen wieder gegen Go: Seine Beliebtheitswerte sind unterirdisch, gerade einmal fünf Prozent der Philippinos wollen Go als Präsidenten.
Im Gegensatz dazu führte Dutertes Tochter Sara die Umfrage mit 27 Prozent an, gefolgt vom Sohn des ehemaligen Diktators Ferdinand Marcos (13 Prozent), der sich über eine eventuelle Kandidatur bedeckt hält, und dem zum Politiker gewordenen Boxer Manny Pacquiao (11 Prozent). »Ich habe eine Liste mit Gründen für und gegen eine Kandidatur aufgestellt, bevor ich mich entschieden habe, nicht zu kandidieren«, sagte Sara Duterte zwar zu Anfang dieses Jahres. Doch erst diese Woche wurde die »Duterte Parin Bewegung« offiziell ins Leben gerufen, die sechs weitere Jahre Duterte-Herrschaft unter Sara fordert.
Es gibt Gründe, warum Sara Duterte mit einer Kandidatur zögert. Zum einen ist sie als Matriarchin der Duterte-Dynastieund als Bürgermeisterin in ihrer Heimatstadt Davao eine Säule der Stabilität in Mindanao, muss sich aber dennoch mit Rivalen und Herausforderern in ihrem eigenen Hinterhof auseinandersetzen. Zum anderen soll ihre gemeinsame Zeit als Bürgermeisterin von Davao mit ihrem Vater als ihr Vize konfliktreich gewesen sein. Im Gegensatz zu ihrem instinktiven und autoritären Vater soll Sara Duterte sich eher auf Politikberater*innen einlassen und den Austausch mit Interessengruppen suchen.
Noch hat Rodrigo R. Duterte gute Umfragewerte in den Philippinen. Doch sein katastrophales Management der Corona-Pandemie sorgt für wachsende Unzufriedenheit, die sich bei einer Kandidatur Sara Dutertes gegen sie richten könnte. Derzeit verweilt sie im Umfragehoch, was ihre Meinung zur Kandidatur ändern könnte. Und dann bleibt da natürlich noch die Sorge um ihren Vater, der auf Immunität angewiesen ist.
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