Kämpferische Worte für den Osten

Ostdeutsche Regierungschefs richten vor Treffen mit der Kanzlerin Forderungen an den Bund

Es braucht neue, gut bezahlte Jobs im Osten, damit Steuern in den Staatssäckel fließen können. Da es keine Stuttgarts und Wolfsburgs oder Leverkusens östlich der Elbe gibt, hoffen die Regierungschefs auf die Ansiedlung von Behörden und Institutionen. Die ist ihnen seit Längerem versprochen, allein: Passiert ist bislang wenig.

Am Mittwoch kamen die Ministerpräsidenten der fünf ostdeutschen Länder und Berlins zu einer Videokonferenz zusammen, um unter anderem über die Vorschläge zu beraten, die die von der Bundesregierung eingesetzte Kommission »30 Jahre Friedliche Revolution und Deutsche Einheit« im Dezember vorgelegt hatte.

Einer davon lautet, es solle doch eine Art Forschungseinrichtung geschaffen werden, in der die Fehlentwicklungen im Zuge der Vereinigung aufgearbeitet und die »Transformationserfahrungen« nicht nur der DDR-Bürger produktiv gemacht werden. Sie soll »Zukunftszentrum für europäische Transformation und Deutsche Einheit« heißen. Thüringens Ministerpräsident Bodo Ramelow (Linke) sagte nach der Unterredung mit seinen Kollegen mit Blick auf das Vorhaben, er gehe »von einem offenen Verfahren zum Konzept und Standort in Ostdeutschland aus«. Allein in Thüringen interessierten sich die Städte Eisenach und Mühlhausen in Kooperation mit dem hessischen Eschwege für die Ansiedlung. Erste Konzeptüberlegungen habe die Stiftung Ettersburg bei Weimar angestellt.

Die Ministerpräsidenten hatten sich mit den Empfehlungen der Kommission zu 30 Jahren Einheit beschäftigt. Vorgeschlagen worden sei auch ein ostdeutsches Begabtenförderwerk, berichtete Ramelow. Hintergrund sei, dass Führungspositionen in Verwaltung, Justiz und Hochschulen im Osten immer noch zu selten mit Fachleuten aus Ostdeutschland besetzt seien.

Auch bei der Ansiedlung von Bundesbehörden und Forschungseinrichtungen in den ostdeutschen Bundesländern sieht Ramelow weiter Defizite. Er verwies auf einen Bundestagsbeschluss, nach dem Ostdeutschland bei Standortentscheidungen so lange bevorzugt werden solle, bis der Durchschnitt der deutschen Verteilung erreicht sei. Dieser müsse »umgesetzt und nicht nur am Tag der Deutschen Einheit erwähnt werden«, sagte Thüringens Regierungschef. »Das ist beim Batterieforschungszentrum und dem Mobilitätsforschungszentrum missachtet worden«, monierte er. Bundesforschungsministerin Anja Karliczek (CDU) hatte den vom Bund mit 500 Millionen Euro geförderten Bau der Batterieforschungsfabrik an die Stadt Münster vergeben und damit in die Nähe ihres Wahlkreises.

Am Vormittag hatte auch Sachsen-Anhalts Regierungschef Haseloff gegenüber den Zeitungen der Funke-Mediengruppe eine bessere Ost-West-Angleichung angemahnt. Bei der Rentenangleichung dürfe es bei der Abmilderung von Härtefällen keine erneuten Lücken geben. So müssten etwa Naturwissenschaftler und freischaffende bildende Künstler einbezogen werden.

Nach ihrer Konferenz kamen die Ministerpräsidenten zu einer ebenfalls per Video abgehaltenen Unterredung mit Bundeskanzlerin Angela Merkel und dem Ostbeauftragten der Bundesregierung Marco Wanderwitz (beide CDU) zusammen. Letzterer war vor wenigen Tagen mit der Äußerung aufgefallen, im Osten gebe es auch deshalb mehr Stimmen für die AfD, weil etliche Wähler in der DDR so stark »diktatursozialisiert« seien, dass sie für die Demokratie verloren seien.

Am Mittwoch sagte Wanderwitz in Berlin, er sehe in neuen Technologien eine Chance auf Wachstum für Unternehmen in Ostdeutschland. Digitalisierung, Künstliche Intelligenz und E-Mobilität böten einen Ausweg für den Osten, erklärte er zur Eröffnung des zweiten ostdeutschen Wachstumstages. Die Bewältigung des Strukturwandels sei eine Herausforderung für Unternehmen, aber auch für die Menschen im Osten. Viele seien »ein Stück müde« von den vielen Veränderungen. Mit dpa

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