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16 Cent für Mecklenburg
Andreas Koristka findet höhere Spritpreise richtig, denn es gibt kein richtiges Leben in einem alten Mazda
In der Provinz, wo die Schwalben bei sonnigem Wetter hoch fliegen und die Autos der Jugendlichen so tief gelegt sind, dass sie auf der Straße schleifen, gibt es auch einen Bus. Er fährt fünf Mal am Tag (zum Teil nach telefonischer Voranmeldung) von Diemitz nach Mirow. Wenn man 6.28 Uhr losfährt, kann man nach einer Stunde und 54 Minuten sogar in Neustrelitz sein, um dort durch einen der ortsansässigen Baumärkte zu bummeln. Niemand, der noch nicht 30 Packungen vom billigsten Laminat in einem Linienbus der Mecklenburg-Vorpommerschen Verkehrsgesellschaft mbH transportiert hat, soll behaupten, es gehe gar nicht ohne Auto auf dem Land!
Trotzdem ist es ungleich angenehmer mit einem eigenem fahrbaren Untersatz. Dieser ist ein Luxusgut, den sich abseits urbaner Ballungsgebiete auch weniger gut situierte Personen leisten. Denn mit einem Auto kann man jederzeit überall hin fahren – zum TÜV, zur Tankstelle, zur Werkstatt oder zur Versicherung. Verdeutlicht man sich diese hohe Mobilität, ist das Gejammer über abgehängten Regionen im Osten und die Abkehr von der Demokratie noch schwerer nachvollziehbar.
Nun ging ein Aufschrei durchs Land, als Annalena Baerbock ankündigte, die Benzinpreise anheben zu wollen. Denn man kann den unterprivilegierten Menschen doch nicht einfach ihre automobilen Fixkosten hochschrauben. Das wäre ja so ähnlich, als würde man ständig ihre Miete erhöhen. Und überhaupt – mussten Autofahrer in den letzten Jahren nicht genug leiden? Waren der Spott, der tankkanisterweise über SUV-Besitzer ausgeschüttet wurde, die Dieselfahrverbote und die vielen Baustellen auf der A24 nicht schon Schmach genug?
Um zurück auf Mecklenburg-Vorpommern zu kommen: Ja, wenn der Klimawandel nicht gebremst wird, ist dieses Bundesland irgendwann komplett überschwemmt. Aber wäre es wirklich schade darum? Würde auch nur irgendjemand den Buckelpisten, die sie »Landstraßen« nennen, nachweinen? Wohl kaum. Trotzdem hängen viele aus sentimentalen Gründen am 16. Bundesland wie an einem Golf II, den man nicht zum Schrottplatz geben möchte und deshalb Jahrzehnte im Vorgarten parkt.
Deshalb ist Baerbocks Ansatz trotz aller Kritik berechtigt. Denn die Landbevölkerung braucht einen Anreiz, um sich an den grünen Milieus aus den Gentrifizierer-Vierteln der Großstädte zu orientieren. Klar, dort gibt es auch noch Autobesitzer. Aber man fährt außerdem ein Lastenrad, das den Anschaffungspreis eines Dacia-Neuwagens übersteigt, und genießt die wenigen Ausflüge mit dem eigenen Pkw oder dem Car-Sharing-Auto wie ein gutes Stück Bioschokolade. Man kaut seine Autofahrten nicht, man lutscht sie genüsslich – am besten natürlich mit einem Elektroauto. Gäbe es Elektro-Flugzeuge, würde man selbstredend damit nach Griechenland gleiten.
Hoffentlich kommt man eines fernen Tages auf dem Land auch zu diesen Einsichten! Die 16-Cent-Erhöhung für Sprit, die die Grünen vorgeschlagen haben, könnte ein Stups in diese Richtung sein. Wie sagte schon Adorno: Es gibt kein richtiges Leben in einem 15 Jahre alten Mazda. Aber wenn sie jetzt das Autofahren aufgeben, anfangen Müll zu trennen, wenn sie einen Wurmkomposter im Wohnzimmer aufstellen und ihren eigenen Humus produzieren, auf Kindergeburtstagen nur noch Papp-Trinkhalme verwenden, keine gefährdeten Singvögel mehr verspeisen und im Frühjahr auf das Verbrennen von Altöl im Garten verzichten, dann – und nur dann! – könnte sich grüne Politik dafür einsetzen, dass Menschen wie die in Diemitz vielleicht mit einer zweiten Buslinie belohnt werden. Vorerst natürlich nur als Rufbus.
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