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Virus am »Dach der Welt«
Nepal kämpft mit einer neuen Corona-Welle, leugnet aber größeren Ausbruch im Basislager am Mount Everest
Macht das Coronavirus auch unter den Bergsteigern auf halber Höhe zum höchsten Berg der Welt derzeit munter seine Runde? Immer mehr Meldungen der vergangenen Tage legen das nahe und lassen bisherige Sorgen fast schon zur Gewissheit werden.
Bereits Ende April keimten die ersten Vermutungen zu Infektionsketten im Basislager auf. Spätestens die offizielle Bestätigung eines privaten Krankenhauses in Kathmandu, wo ein Patient behandelt wurde, gegenüber der britischen BBC gab klare Anhaltspunkte. Die genaue Zahl der Infizierten im auf 5364 Meter Höhe gelegenen Camp am Südhang des Mount Everest ist aber unklar. Von mindestens 100 Fällen ist in Berichten unter Berufung auf verschiedene Quellen vor Ort die Rede, teilweise von über 150. Diese Zahl nannte der Österreicher Lukas Furtenbach, der allein sieben Fälle in seinem Team hatte und zu den wenigen gehörte, die ihre Expedition von sich aus abbrachen.
Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Für Nepal sind die Gebühren, die Ausländer zum Besteigen der hohen Gipfel im Himalaya bezahlen müssen, eine wichtige Einnahmequelle. Der Preis für die sogenannten Trekking Permits ist gestaffelt, allein für den Mount Everest wandern umgerechnet in der Summe pro Jahr etliche Millionen US-Dollar in den Staatshaushalt, obwohl die Zahl der genehmigten Expeditionen beschränkt ist. Das liegt nicht nur an praktischen und ökologischen Aspekten, sondern auch der Tatsache, dass das meteorologische Zeitfenster zum Besteigen des höchsten Gipfels auf dem »Dach der Welt« mit nur zwei Monaten kurz ist.
Üblicherweise ist die Saison am 31. Mai offiziell beendet - diesmal gewährten die Behörden erstmals eine Verlängerung bis 3. Juni. Schließlich hatten unlängst zwei Zyklonwetterlagen kurz hintereinander für Zeitverzug gesorgt. 408 genehmigte ausländische Bergsteiger am Tschomolungma, wie die Einheimischen den Berg nennen, sind für die aktuelle Saison (die vorige war wegen der Pandemie abgesagt worden) ein neuer Höchstwert. Hinzu kommen noch mal in etwa gleicher Zahl die Sherpas, die einheimischen Guides und Hilfskräfte. Damit hielten sich im Basis-Camp und dem auf 6400 Meter befindlichen Lager 2 zuletzt knapp 1000 Menschen auf. Die nepalesische Regierung bestritt, dass es hier zuhauf Infizierte gegeben habe - die Dementis der staatlichen Tourismusbehörde wirkten aber zunehmend unglaubwürdiger.
Schließlich hat eine neue Corona-Welle landesweit in Nepal drastische Ausmaße erreicht. Die offizielle Zahl der täglichen Neuinfektionen lag zuletzt bei 8000, insgesamt sind seit Ausbruch der Pandemie inzwischen über eine halbe Million Menschen als Infizierte gelistet. Ähnlich wie in Indien nebenan ist auch in dem 29-Millionen-Einwohner-Land die dahinterstehende Dunkelziffer unklar. Das liegt gerade an der geringen Zahl an Testungen. Lange habe es an Kapazitäten gemangelt, inzwischen habe man aber halbwegs genug Testkits. Sie kämen jedoch in den ländlichen Regionen ungenügend zum Einsatz, beklagte selbst Krishna Prasad Paudel, der Sprecher des Gesundheitsministeriums, gegenüber der größten Tageszeitung »Kathmandu Post«. Auf Distriktebene sei die Kooperation lokaler Stellen nicht ausreichend.
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Kürzlich wurden mit einem Sonderflug von Nepal Airlines insgesamt 800 000 Sinopharm-Impfdosen aus China in den Himalayastaat gebracht. Es handelt sich um die größere Teillieferung von insgesamt einer Million kostenfrei überlassener Dosen, die Präsident Xi Jinping seiner nepalesischen Amtskollegin Bidya Devi Bhandari am 26. Mai bei einem rund einstündigen Telefonat als zügige Hilfe zugesichert hatte. Eine erste Lieferung chinesischer Impfstoffe nach Nepal war bereits erfolgt und rasch verimpft worden. Indien, der andere große Nachbar, hatte die umliegenden kleineren Staaten zwar schon vorher beliefert, stoppt dies dann aber, da man die im Land produzierten Dosen für die eigene Bevölkerung benötigt.
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