Ein Fest der Daten und Nasen
Die Sommer-Berlinale beginnt
Nieselregen, Matsch, Schnupfen. Klingt nach Berliner Winter - und nach Berlinale. Kaum vorstellbar, dass das größte Filmfestival Deutschlands in den ersten Jahren, von 1951 bis 1977, tatsächlich im Sommer stattfand. Seltsame Bilder: Besucher*innen in luftiger Kleidung, Stars mit Sonnenbrille. Es gab sogar Berlinale-Schiffsausflüge auf der Havel!
1978 hat der zweite Festivalleiter Wolf Donner wichtige Änderungen durchgesetzt, darunter die Verlegung in den Winter, damit die Berliner Filmfestspiele einerseits vor der Oscar-Verleihung laufen, andererseits und hauptsächlich aber, damit sie sich vom größten Konkurrenten, dem Cannes-Filmfestival, absetzen konnten. So klug die neue Terminierung war, so schmerzhaft war der Abschied vom Fest in T-Shirt und Sommerkleid. An die Gäste der ersten Winter-Berlinale 1978 wurden Pudelmützen verteilt.
Inzwischen haben sich die Mützen als Muss-Accessoires etabliert, neben den Regenschirmen und Taschentüchern - die Letzteren sind fast wichtiger als die Tickets. Und Bekleidung am besten nach dem Zwiebelprinzip. Das ist der praktische Charme der Berlinale. Nun wurden die Filmfestspiele wieder - dieses Mal wegen eines Virus - in den Sommer verlegt. Der öffentliche Teil zumindest. Denn die Filme wurden bereits Anfang März einem kleinen Fachpublikum und der Presse digital gezeigt. Für das öffentliche Publikum läuft die Berlinale vom heutigen Mittwoch bis zum 20. Juni als reine Open-Air-Veranstaltung an 16 Orten.
Diese Zeitung hat sich bewusst dafür entschieden, dem öffentlichen Teil des diesjährigen Festivals, dem sogenannten Summer-Special, mehr Gewicht beizumessen. Denn wir schreiben in erster Linie für die Menschen, die erst jetzt die Gelegenheit haben, sich die Filme anzuschauen. In diesem Feuilleton wird dementsprechend ab heute bis Ende des Festivals täglich eine Seite der Berlinale gewidmet.
Sommer, Sonne, Filme. Ein Kinogenuss unter freiem Himmel, heißt es. Nur sind die Sommertage zu lange zu hell für die Filmprojektionen. Die Termine sind daher ziemlich spät am Abend. Aber hey, Kino ist wieder da, und das möchte sich niemand entgehen lassen. Die Bedingungen sind inzwischen gängig: Die Daten und Nasen sollen zur Verfügung gestellt werden; Datenerfassung, Testdurchführung. Für die größte Präsenzveranstaltung Deutschlands seit der Pandemie wurde ein restriktives Schutz- und Hygienekonzept ausgearbeitet. Die Sommer-Berlinale ist ein Pilotprojekt. Läuft es erfolgreich, dürfen womöglich andere Veranstaltungen folgen. Nun schauen alle auf die Berlinale.
Die Hoffnung ist groß, es warten noch zahlreiche Veranstaltungen - nur der Sommer hierzulande ist zu kurz. Zur Not sind die Pudelmützen wieder aufzusetzen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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