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- Rechtsextremismus bei der Polizei
Ermittlungen gegen hessisches SEK
Polizisten mutmaßlich an rechtsextremen Chats beteiligt
Ermittlungen der Staatsanwaltschaft Mainz gegen einen in Rheinland-Pfalz wohnenden Polizisten haben die Behörden im Nachbarland Hessen auf mutmaßlich extrem rechte Chats von Polizisten stoßen lassen. Die Mainzer Ermittlungen gegen den zuletzt beim Spezialeinsatzkommando (SEK) des Frankfurter Polizeipräsidiums eingesetzten 38-Jährigen drehen sich um den Vorwurf des Besitzes und der Verbreitung kinderpornografischer Schriften, wie die Staatsanwaltschaft Frankfurt am Mittwoch mitteilte. Bei der Auswertung der bei dem SEK-Beamten sichergestellten Mobiltelefone stießen die Ermittler dann auf die Chatgruppen.
Die Polizei habe das Ermittlungsverfahren schon im August 2020 nach einem Hinweis auf den Rheinland-Pfälzer eröffnet, sagte die Sprecherin der Staatsanwaltschaft Mainz gegenüber Medien. »Der Hinweis kam von einer Privatperson, die keinen beruflichen Bezug zu Polizeibehörden hat.«
Razzien bei SEK-Beamten
Bei der Durchsuchung Mitte Dezember seien Mobiltelefone sowie weitere IT-Datenträger sichergestellt worden. Die Auswertung dauerte bis Februar 2021. »Die Ermittlungen, die sich nur gegen diesen Mann richten, sind noch nicht abgeschlossen«, sagte die Sprecherin der Mainzer Staatsanwaltschaft. In Hessen wird nach Angaben von Frankfurter Staatsanwaltschaft und dem dortigen Landeskriminalamt in Folge dessen gegen mehrere Polizisten ermittelt. Seit Mittwochmorgen würden sechs Durchsuchungsbeschlüsse vollstreckt. Bei den Betroffenen handele es sich um Beamte eines Spezialeinsatzkommandos, sagte eine Sprecherin der Staatsanwaltschaft.
Bereits seit April laufen demnach die Ermittlungen wegen des Verdachts des Verwendens von Kennzeichen verfassungswidriger Organisationen und weiterer Straftaten. Ermittelt werde gegen 20 Männer im Alter von 29 bis 54 Jahren, darunter ein ehemaliger Polizist und 19 Beamte im aktiven Dienst. Insgesamt 17 von ihnen stehen im Verdacht, als Teilnehmer verschiedener Chatgruppen untereinander Beiträge mit volksverhetzenden Inhalten beziehungsweise Abbildungen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation geteilt zu haben.
Ob es einen Zusammenhang mit der vor knapp zwei Jahren aufgedeckten Chatgruppe mit extrem rechten Inhalten in einem Frankfurter Polizeirevier gebe, sei noch nicht bekannt, sagte die Sprecherin. Gegen drei der 20 Beschuldigten wurden Ermittlungen alleine aufgrund des Verdachts der Strafvereitelung im Amt aufgenommen, da sie Teilnehmer der relevanten Chatgruppen waren und als Vorgesetzte die in Rede stehende Kommunikation nicht unterbunden haben.
Erzürnte Opposition
Die hessische Linksfraktion äußerte sich erzürnt über die neuen Erkenntnisse. »Damit sind nun auch besonders herausgehobene ›Elite‹-Einheiten und Behörden vom sich weiter ausweitenden hessischen Skandal um rechte Polizeinetzwerke betroffen«, sagte Hermann Schaus, innenpolitischer Sprecher der Linksfraktion, am Mittwoch. Insgesamt habe sich dadurch die Zahl der laufenden Ermittlungen und Disziplinarverfahren bei hessischen Polizeibeamten in nahezu allen hessischen Polizeipräsidien auf mehr als 100 ›Einzelfälle‹ erhöht. »Der überwiegende Teil davon ist noch nicht abgeschlossen«, betonte Schaus zu den Ermittlungen.
»Scheinbar haben alle bisherigen Verfahren und Maßnahmen des Innenministers und innerhalb der Polizei nicht dazu geführt, dass eine Veränderung im Apparat eingetreten ist«, kritisierte der Abgeordnete weiter. Nun müsse daher geklärt werden, was die Vorgesetzten der Beschuldigten mitbekommen haben und warum sich die bisher Enttarnten über Jahre sicher fühlen konnten. Die Linksfraktion kündigte an, den Skandal im Rahmen der kommenden Plenarwoche zu thematisieren, dazu erwarte man vom Innenminister Peter Beuth (CDU) weitere Hintergrundinformationen. »Beuth muss auch erklären, wie er gedenkt, die hessische Polizei endlich aus den Negativschlagzeilen herauszubringen«, sagte Schaus.
Auch die SPD zeigte sich entsetzt. »Dieser neue Fall von rechtsextremen Umtrieben innerhalb der hessischen Polizei sprengt alle Dimensionen«, sagte der Parlamentarische Geschäftsführer der SPD-Fraktion, Günter Rudolph. Innenminister Beuth müsse »endlich seiner politischen Verantwortung gerecht werden«. Mit Agenturen
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