Eine Milliarde Dosen für arme Staaten
G7-Impfversprechen ist kleinlich angesichts der Kapazitäten
Eine Milliarde Impfdosen für arme Staaten - mit dieser Spende will die Gruppe der sieben Industriestaaten (G7) ihren guten Willen bei der globalen Verteilung der Covid-19-Vakzine deutlich machen. Unmittelbar vor Beginn des G7-Gipfels im südwestenglischen Carbis Bay teilte die britische Regierung am Freitag mit, die bis nächstes Jahr geplante Unterstützung solle durch Verteilung und durch Finanzierung von Impfstoff möglich werden. Die USA hatten angekündigt, 500 Millionen Dosen zu spenden, bei Gastgeber Großbritannien sind es 100 Millionen. Die EU hatte lange vorher 200 Millionen Dosen angekündigt, Deutschland will Geld spenden, um noch einmal so viele zu kaufen.
Die Weltgesundheitsorganisation (WHO) begrüßte die Ankündigung. Eine derartige Aktion wäre sehr ermutigend, sagte Sprecherin Margaret Harris in Genf. Die UN-Organisation fordert seit Monaten, die Länder mit einem Überschuss an Impfstoff sollten diesen an arme Länder weiterreichen, was über die von der WHO geleiteten Covax-Initiative geschehen soll. Allerdings konnten von den bislang weltweit ausgelieferten 1,9 Milliarden Impfdosen gerade einmal 81 Millionen über Covax verteilt werden. In vielen Staaten konnte noch nicht einmal das Gesundheitspersonal immunisiert werden.
Dass es sich bei den genannten eine Milliarde Impfdosen um kleine Mengen handelt, zeigt ein Blick auf die Herstellungskapazitäten: Die Datenanalysten des Portals Airfinity gehen davon aus, dass bis Jahresende über elf Milliarden Portionen produziert werden könnten. Damit könnten drei Viertel der Weltbevölkerung immunisiert werden. Auf eine noch etwas höhere mögliche Produktionszahl kommt die Duke University im US-Staat North Carolina. Sie verweist aber auf Probleme in der Lieferkette, da teilweise mehrere hundert Einzelkomponenten benötigt werden, und auf Exportbegrenzungen in einigen Ländern. 15 Impfstoffe haben zumindest in einzelnen Ländern eine Zulassung, davon sechs aus China, drei aus Russland und zwei aus den USA. Bei vielen weiteren laufen Zulassungsverfahren.
Angesichts der Möglichkeiten gibt es Kritik an der G7-Ankündigung: Laut der Hilfsorganisation One haben sich die G7-Staaten über 2,5 Milliarden Impfdosen mehr gesichert, als sie benötigen. Oxfam forderten Kanzlerin Angela Merkel auf, ihre Unterstützung für eine befristete Freigabe der Patente zu erklären.
Auch ist der G7-Gastgeber alles andere als großzügig: Während sich die britische Regierung vor der Weltpresse als großer Helfer darstellt, spricht man nach Innen eine andere Sprache: Die eigene Bevölkerung zu impfen, habe weiter oberste Priorität, sagte Gesundheitsstaatssekretär Nadhim Zahawi in der BBC. »Unsere Impfkampagne wird nicht von unserer Spende beeinträchtigt.«
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