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Nicht ohne das große Geld
Beim Erreichen der Klimaziele können die Finanzmärkte Hemmschuh oder Helfer sein
In ihren Zukunftsszenarien haben Klimaforscher*innen bislang die dynamische Rolle des Finanzsystems unterschätzt. Das ist die Quintessenz einer kürzlich in der Fachzeitschrift »Science« erschienenen Studie. Die Szenarien für den Klimawandel beeinflussten nämlich die Märkte und das Handeln der Investor*innen - aber auch umgekehrt.
»Ob das Wirtschaftssystem den Pfad zur Treibhausgasneutralität einschlägt oder die entgegengesetzte Richtung, hängt davon ab, wie die Akteure nach der Analyse der Szenarien das Risiko einschätzen«, sagt Studien-Erstautor Stefano Battiston, Professor am Institut für Banken und Finanzen der Universität Zürich. Glaubten sie etwa, dass es der EU mit ihren neuen Klimazielen ernst ist, würden sie ihr Geld schrittweise aus fossiler Energieerzeugung und CO2-intensiven Wirtschaftszweigen abziehen und es in erneuerbare Energien oder andere grüne Technologien stecken. Halten sie dagegen Netto-Null-Emissionen bis Mitte des Jahrhunderts in Wirtschaft und Gesellschaft für nicht durchsetzbar, würden sie wie bisher investieren und damit eine ökonomische Transformation verzögern.
»Wenn Finanzakteure kollektiv das Risiko eines späten und plötzlichen Übergangs unterschätzen, steigt die Wahrscheinlichkeit, dass dieses Szenario eintritt. Dies könnte ein Problem für die Finanzstabilität darstellen und wäre daher für die Gesellschaft mit höheren Kosten verbunden«, erklärt Battiston.
Eine weitere Publikation betrachtet das Thema aus einer anderen Perspektive. Das »Network for Greening the Financial System« (NGFS), in dem sich mehr als 90 Zentralbanken und Finanzmarktaufseher*innen mit Wissenschaftler*innen zusammengeschlossen haben, entwickelt darin eine Reihe von Szenarien, wie sich eine schnelle Reduktion der Treibhausgasemissionen, ein verzögertes Handeln oder ein komplettes Versagen der Klimaschutzpolitik finanziell auswirken könnte. Danach minimiert - wie schon andere Berechnungen von Klimaforscher*innen zeigten - frühzeitiges Handeln nicht nur das physische, sondern auch das finanzielle Risiko, während ein späterer Übergang laut zwei weiteren Szenarien deutlich teurer wird.
Nach Berechnungen des NGFS müssten sich für einen geordneten Übergang zu Netto-Null-Klimagasemissionen bis Mitte des Jahrhunderts die Investitionen in erneuerbare Energien in den nächsten zehn Jahren im Vergleich zum bisherigen Trend mindestens verdoppeln, wenn nicht gar vervierfachen. Im Zuge dessen müssten die Kapitalanlagen in fossile Energieträger deutlich zurückgehen.
Dabei wäre bereits für 2030 ein CO2-Preis von 100 bis 200 Euro pro Tonne erforderlich. Elmar Kriegler vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung, Mitautor der Studie, sieht in der Verknüpfung von Szenarien der Klimaforschung mit der Expertise der Finanzinstitute »einen großen Schritt nach vorn, um die wirtschaftlichen Auswirkungen einer ambitionierten Klimapolitik - oder aber von deren Fehlen - zu verstehen«.
Diese Ansicht teilt auch Finanzexperte Battiston. Er gibt jedoch zu bedenken, dass in diesen Szenarien eine Rückkopplung des Verhaltens der Finanzmärkte auf das Eintreffen der Modelle bislang außer Acht gelassen wurde. Je nach Verhalten der Finanzakteur*innen entwickle sich der CO2-Preis unterschiedlich.
Wesentliche Instrumente bei der Umgestaltung der Finanzmärkte für das Erreichen der Pariser Klimaziele könnten zwei im Frühjahr beschlossene Neuregelungen auf europäischer Ebene sein, wie auf einer Veranstaltung der Deutschen Bundesstiftung Umwelt (DBU) deutlich wurde. Die EU-Taxonomie hat zum Ziel, mehr Geld in nachhaltige Tätigkeiten zu lenken, während die Offenlegungsverordnung Anbieter*innen von Finanzprodukten verpflichtet, ihre Anleger*innen künftig über deren Nachhaltigkeit zu informieren. Der DBU-Abteilungsleiter der Sektion Finanzen, Michael Dittrich, wertet dies als Chance, Nachhaltigkeit aus der Nische herauszubringen.
Er geht davon aus, dass sich Anleihen von Firmen ohne Augenmerk auf die Umwelt in Kürze nicht mehr verkaufen lassen. Bevor das Gros der Betriebe jedoch Nachhaltigkeitsziele formuliere, müsste die EU ihre Ziele noch präzisieren. »In Deutschland gibt es sechs Billionen Euro Privatvermögen, weltweit sind es 200 Billionen. Dieses Kapital brauchen wir, um die Klimaschutzziele zu erreichen«, mahnt Dittrich.
Nach Einschätzung von Kristina Rüter von der auf das Thema spezialisierten Ratingagentur ISS ESG werden heute die meisten nachhaltigen Investitionen in Europa getätigt. »In den USA hat sich der Markt dafür aber viel dynamischer entwickelt und könnte Europa rein vom Volumen her in Kürze überholen«, erklärt sie. Interessant sei auch der schnelle Anstieg der Investitionen in Japan in der letzten Zeit.
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Der Leiter Nachhaltigkeit bei der Sparkassenfondsgesellschaft Deka Investment, Ingo Speich, sieht speziell in Deutschland die Herausforderungen in der kohlelastigen Energieerzeugung und in anderen CO2-intensiven Wirtschaftszweigen. Nicht nur das: Anders als Frankreich würden nachhaltige Investitionen hierzulande bislang nicht staatlich gefördert, kritisiert Speich.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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