Kein zurück zu Helmut Kohls Zeiten

Parteitag stimmt für moderate Steuererhöhungen, um mehr staatliche Investitionen zu ermöglichen

  • Aert van Riel
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Grünen wollen den Spitzensteuersatz von derzeit 42 auf 48 Prozent erhöhen. Ein Antrag für einen höheren Spitzensteuersatz von 53 Prozent, wie er noch während der Regierungszeit des CDU-Kanzlers Helmut Kohl in den 1990er Jahren galt, scheiterte am Samstagabend beim digitalen Bundesparteitag ebenso wie ein Vorstoß, die Schuldenbremse abzuschaffen. Die Schuldenbremse sieht vor, dass der Bund nur in geringem Maße neue Kredite aufnehmen darf. Erlaubt sind demnach maximal 0,35 Prozent der Wirtschaftsleistung. Allerdings ist die Schuldenbremse nicht in Stein gemeißelt. Für 2020 und 2021 ist sie wegen der Coronakrise bereits aufgehoben worden.

Die Grünen wollen sie grundsätzlich lockern, um mehr Raum für staatliche Investitionen zu schaffen. »Angesichts der Coronakrise wird die öffentliche Haushaltslage in den kommenden Jahren sehr angespannt sein«, heißt es im Wahlprogramm der Partei. Ab einem Jahreseinkommen von 100 000 Euro für Alleinstehende und 200 000 Euro für Paare soll eine neue Stufe mit einem Steuersatz von 45 Prozent eingeführt werden. Der Spitzensteuersatz von 48 Prozent soll ab 250 000 beziehungsweise 500 000 Euro greifen. Die Grünen hatten einst in der Regierung mit der SPD die Steuern radikal gesenkt.

Die Abgeltungssteuer für Kapitalerträge wollen die Grünen abschaffen. Diese Einkommen sollen nach ihrem Willen wieder progressiv besteuert werden. Das bewirke, dass Menschen mit hohen Zinseinkommen und Spekulationsgewinnen höhere Steuern zahlen müssten und Aktienkleinanleger entlastet würden, hieß es zur Begründung.

Um mehr finanzielle Spielräume zu haben, wollen die Grünen auch die Vermögensteuer wiederbeleben. Die Steuer, die den Bundesländern zusteht, solle ab zwei Millionen Euro pro Person gelten und ein Prozent jährlich betragen. Die Länder sollten die Einnahmen für die Finanzierung der wachsenden Bildungsaufgaben einsetzen.

Der Parteitag beschloss zudem, dass der Besitz von Waffen stärker beschränkt werden soll. Im Programm heißt es nun: »Jeder Mensch, der durch eine Waffe stirbt, ist einer zu viel.« Die Verfügbarkeit von tödlichen Schusswaffen müsse deswegen »schrittweise beendet« werden. Ausgenommen davon seien allerdings Jäger, die ihre Aufgaben ohne diese Waffen nicht erfüllen könnten. Im Bereich des Schießsports wollen sich die Grünen im Dialog mit den Sportschützen »für die Umstellung auf nichttödliche Schusswaffen« einsetzen. Um Attentate künftig zu erschweren, wolle man den illegalen Waffenhandel, auch und gerade auf Online-Marktplätzen, verstärkt verfolgen.

Eine allzu kritische Haltung gegenüber der Polizei lehnen die Grünen ab. Aus der Basis war gefordert worden, die Aussage »Deutschland ist ein sicheres Land - das liegt auch an einer gut arbeitenden Polizei« aus dem Programmentwurf zu streichen. Dieses Vorhaben fand keine Mehrheit. Vor der Abstimmung warb die Bundestagsabgeordnete Irene Mihalic für die Formulierung. »Wir haben viele Vorschläge, wie wir eine gut arbeitende Polizei zu einer besseren Polizei machen können«, sagte die ehemalige Polizistin. Mihalic plädierte dafür, sich im Programm auch positiv auf diese Berufsgruppe zu beziehen, »um die Debatte nicht zuzumachen«. Die Grünen fordern wissenschaftliche Studien zu Rechtsextremismus und Rassismus in den Sicherheitsbehörden.

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Debatten in der Sozial- und Umweltpolitik gegen den Nachwuchs durch

Das Wort »Deutschland« bleibt im Titel des Programms. Parteimitglieder, die es streichen wollten, zogen ihre Anträge zurück. Somit lautet die Überschrift: »Deutschland. Alles ist drin.« Gegner der Formulierung hatten in den zurückgezogenen Anträgen erklärt, der Begriff Deutschland lasse eher an »eine nationalistische Politik« denken. Sie fühlten sich an die AfD erinnert. Eine andere Gruppe von Antragstellern hatte argumentiert: »Im Mittelpunkt unserer Politik steht der Mensch in seiner Würde und Freiheit. Und nicht Deutschland.« Bundesgeschäftsführer Michael Kellner wertete die Zurückziehungen als Zeichen dafür, »dass die Partei gemeinsam, geschlossen und entschlossen Erfolg will und dabei den Bundesvorstand unterstützt«.

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