Schweigen ist keine Zustimmung
Bgh-urteil: fast alle Erhöhungen von Sparkassen- und Bankgebühren rechtswidrig
Höhere Gebühreneinnahmen, die Banken und Sparkassen erzielen, ersetzen ein Stück weit wegbrechende Zinseinnahmen. Das könnte nach dem spektakulären Urteil des Bundesgerichtshofes (Az. XI ZR 26/290) zu Gebührenänderungen schwieriger werden: Zahlreiche Kontoinhaber haben ein Recht auf Erstattung von Zahlungen, die auf unzulässige Gebührenerhöhungen entfallen. Im April hatten die Richter des BGH geurteilt, dass Schweigen zu einer Gebührenerhöhung keine Zustimmung sei. Die Zustimmung müsse der Kunde aber in einem solchen Fall ausdrücklich geben.
In der Praxis hatten in den letzten Jahren fast alle Banken und Sparkassen die Gebühren bestehender Konten erhöht. Zeitungen ermittelten Erhöhungen um bis zu 800 Prozent. Oder Geldinstitute schafften alte, für Verbraucher kostengünstige Kontomodelle einfach ab und ersetzen sie durch neue. Informiert wurde die Kundschaft per Brief. Schweigen galt als Zustimmung.
Verbraucher*innen können erstmalig erhobene oder gestiegene Kontoentgelte von ihrer Bank oder Sparkasse zurückfordern. Die Verbraucherzentrale Brandenburg (VZB) bietet einen Musterbrief zur Rückforderung der zu viel bezahlten Beträge an.
»Die Zustimmung des Kunden gilt als erteilt, wenn er seine Ablehnung nicht vor dem vorgeschlagenen Zeitpunkt des Wirksamwerdens der Änderungen angezeigt hat.« Dieser Satz steht in den Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) der Postbank, einer Tochtergesellschaft der Deutschen Bank. Stillschweigende Zustimmung nennt man das. Doch so einfach sei das nicht, entschied der elfte Zivilsenat des BGH.
Der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) hatte durch alle Instanzen gegen die Postbank-Klausel geklagt. »Das ist ein Urteil mit Signalwirkung für die gesamte Bankbranche«, freute sich vzbv-Vorstand Klaus Müller. Es bringe einen echten Mehrwert für Bankkunden, »denn es erhöht ihre finanzielle Sicherheit und Planbarkeit«.
Postbank versus BGH
Die Postbank hielt zunächst dagegen. Sie wolle erst einmal die schriftliche Urteilsbegründung abwarten. Diese liegt inzwischen vor. Postbank und Deutsche Bank teilten mit, sie würden jeden Einzelfall prüfen. Auf Antrag! Das Einlenken der Geldinstitute überrascht Beobachter nicht. Zu eindeutig war schon die ungewöhnlich ausführliche Mitteilung, die der für Bankrecht zuständige XI. Zivilsenat veröffentlichte.
Für Inhaber von Konten, die früher noch kostenlos waren, summieren sich die Beträge auf anständige Summen. Hinzu kommen Zinsen. So haben viele Postbank-Kunden, die bis Oktober 2016 ein damals noch kostenloses Giro Plus-Konto eröffnet haben, meist einen Anspruch auf Erstattung von ziemlich genau 180 Euro einschließlich Zinsen.
Eine wichtige Frage bleibt, ob das Urteil des BGH allein für die dort verklagte Postbank oder auch für andere Banken und Sparkassen gilt? Urteile binden grundsätzlich nur direkt am Verfahren beteiligte Parteien. Das waren hier der vzbv und die Postbank. Es ging allerdings um die Geltung einer Postbank-Geschäftsbedingung, welche den Mustergeschäftsbedingungen sowohl der Privatbanken als auch der Sparkassen entspricht.
»Wir kennen keine Bank oder Sparkasse, die Änderungen der Geschäftsbedingungen von der Zustimmung der Kunden abhängig gemacht hat«, schreibt die Stiftung Warentest. Nach dem Urteil stehe daher fest: Die Preiserhöhungen und andere für Kunden nachteilige Änderungen der Geschäftsbedingungen sämtlicher Banken und Sparkassen sind unwirksam. Eine Ausnahme gibt es auch hier, wenn nämlich in Einzelfällen Kunden ihr Einverständnis tatsächlich erklärt hatten.
Eigentlich könnten Bank- und Sparkassenkunden erwarten, dass die Geldinstitute rechtswidrig kassiertes Geld von sich aus erstatten. Die Erfahrungen der Verbraucherschützer in Hamburg mit anderen Fällen rechtswidrig kassierter Bankgebühren zeigt jedoch: So läuft es nicht. Immer mussten Kunden ihr Recht auf Gebührenerstattung zumindest fordern und oft genug auch den Ombudsmann, Rechtsanwälte oder sogar Gerichte einschalten.
Wie ist das Recht durchzusetzen?
Verbraucherschützer raten Betroffenen, ihre Ansprüche geltend zu machen. Auch bei anderen Banken und Sparkassen. Test.de, das Internetangebot der Stiftung Warentest, erklärt, wie das Recht durchzusetzen ist.
Wer bei monatlichen Pauschalgebühren leicht ausrechnen kann, wie viel Geld seine Bank oder Sparkasse zu erstatten hat, kann gleich die Rückzahlung fordern. Wo es - wegen zusätzlicher Gebühren für einzelne Buchungen etwa - komplizierter ist, können Sie die Forderung vorbereiten, indem Sie zunächst eine Aufstellung der gezahlten Gebühren fordern. Dazu sind Banken und Sparkassen ohnehin von Gesetzes wegen verpflichtet. Auf Test.de und den Internetseiten von Verbraucherzentralen finden Sie dazu Mustertexte.
Allerdings, welche Gebühren Sie bei der Kontoeröffnung tatsächlich gezahlt haben, werden Sie selbst herausfinden müssen. Sie haben zwar grundsätzlich ein Recht auf Info über die Preise bei Kontoeröffnung, aber das Recht ist verjährt, wenn Sie das Konto vor dem 1. Januar 2018 eröffnet haben.
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