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Sparschwein Jugendclub
Der Kinder- und Jugendarbeit in den Kiezen drohen radikale Mittelkürzungen
Oftmals heruntergekommene Räume, zu wenig und zu schlecht bezahltes Personal, dazu notorisch unterfinanziert: »Seit Jahren arbeiten wir in der Offenen Kinder- und Jugendarbeit am Limit, und trotzdem soll jetzt ausgerechnet in unserem Bereich gespart werden«, sagt Leyla Güngör zu »nd«. Sie ist in einer Kreuzberger Freizeiteinrichtung tätig und spricht auch für die Landesarbeitsgemeinschaft Offene Kinder- und Jugendarbeit, eine berlinweite Interessengemeinschaft.
Wie ihre Kollegin Miriam Schulz will auch Güngör ihren richtigen Namen nicht in der Zeitung lesen. »Auch wenn es uns in Friedrichshain-Kreuzberg noch vergleichsweise gut geht, hängen wir finanziell am Tropf des Bezirks«, sagt Schulz. Sich öffentlich allzu kritisch aus dem Fenster zu lehnen, könnte ihrer Einrichtung schaden. Aktuell umso mehr - wobei es im Grunde um alle 420 Berliner Kinder- und Jugendfreizeiteinrichtungen geht. Denn auf die gesamte Offene Kinder- und Jugendarbeit in der Hauptstadt drohen radikale Mittelkürzungen zuzukommen.
Konkret geht es um Einsparungen bei den sogenannten Globalsummenzuweisungen aus dem Landeshaushalt an die zwölf Bezirke. Zwar können die in diesem Rahmen jährlich zugewiesenen Gelder theoretisch nach den jeweiligen Schwerpunktsetzungen der Bezirke verteilt werden. Die schöne Theorie dürfte sich indes bald erledigt haben, da ein Großteil der Summe für rechtlich festgelegte Ansprüche ausgegeben werden muss. Heißt: Für alle andere Ausgaben ist weniger im Topf, darunter auch die Kinder- und Jugendarbeit.
Der entsprechende Haushaltsentwurf für 2022/2023 wird aktuell im Senat debattiert - in der Verwaltung von Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) geht man davon aus, dass erste Ergebnisse kommenden Dienstag präsentiert werden. Aber nach allem, was bereits vorab durchgesickert ist, dürfte es für die Bezirke finanziell richtig eng werden.
»Das Problem ist, dass durch die Bank weg fast alle der zwölf Bezirke sich mit Defiziten in zweistelliger Millionenhöhe konfrontiert sehen, weil die Senatsfinanzverwaltung derzeit den Standpunkt vertritt, die Bezirke an den Lasten der Krise zu beteiligen«, sagt Paul Schlüter, kinder- und jugendpolitischer Sprecher der Linksfraktion Pankow. Allein in seinem Bezirk sei davon auszugehen, dass im kommenden Jahr 18 Millionen Euro, 2023 noch einmal 21 Millionen Euro fehlen werden. »Da könnte ein radikaler Kahlschlag auf uns zukommen, ein Spardiktat zudem, unter dem vermutlich die freiwilligen sozialen Leistungen, zu denen auch die Offene Kinder- und Jugendarbeit zählt, leiden werden. Der Senat muss hier dringend nachsteuern.«
Genau dafür werden Leyla Güngör und Miriam Schulz am Samstag ab 13 Uhr auch auf die Straße gehen. Im Aufruf zu der von der Landesarbeitsgemeinschaft Offene Kinder- und Jugendarbeit organisierten Demonstration, die vom Abgeordnetenhaus zum Alexanderplatz ziehen soll, heißt es unmissverständlich: »Es reicht! Jetzt sind die Kinder und Jugendlichen dran!«
Güngör sagt, es gehe überhaupt nicht an, dass die Gesellschaft bei der selbstbestimmten Bildung junger Menschen die Stellschrauben anzieht. Im Gegenteil: Es müsse investiert werden. »Wir brauchen mehr, nicht weniger Geld. Es gibt einen immensen Bedarf an unserer Arbeit, ein Bedarf, den wir woanders beim besten Willen nicht sehen. Und ich weiß, was ein Meter Autobahn kostet.« Dagegen würden die für die Kinder- und Jugendarbeit zur Verfügung stehenden Mittel schon jetzt »das Kraut nicht fett machen«.
In Friedrichshain-Kreuzberg etwa beliefen sich die jährlichen Ausgaben hierfür auf zusammen 4,6 Millionen Euro, so Güngör. »Und eigentlich sollten nach dem 2019 beschlossenen Jugendförder- und Beteiligungsgesetz noch einmal 4 Millionen on top kommen.« Doch davon ist man, so scheint es zurzeit, weit entfernt. Ein Unding, findet auch Miriam Schulz. Man sei »seit drei, vier Jahren dabei«, dass sich »wirklich etwas bewegt« in den Kiezen: »Wir haben als kostenlos zugängliche Einrichtung eine wichtige soziale Funktion vor Ort, vor allem für Kinder und Jugendliche, die von den Schulen nicht erreicht werden. An der Stelle nun auch noch zu kürzen - das kann echt nicht wahr sein.«
Wie die beiden Kreuzbergerinnen erinnert auch Linke-Politiker Paul Schlüter aus Pankow daran, dass über ein Jahr lang von Kindern und Jugendlichen gefordert worden sei, solidarisch zu sein mit den Älteren: »Jetzt müssen wir solidarisch sein und dafür sorgen, dass die Arbeit für genau diese Kinder und Jugendlichen nicht einfach gestrichen wird«, sagt Schlüter, der auf der Demonstration am Samstag selbst eine Rede halten wird.
»Es geht immer nur um Kita und Schule, ohne dass wir auch nur gehört werden«, ärgert sich Leyla Güngör. Damit müsse schnellstens Schluss sein. Sonst wäre für viele Einrichtungen Schluss.
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