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In der warmen Sprache der Herzen
Nach Absegnung des Wahlprogramms will die Linke nun »auf Augenhöhe« mit den Bürgern um Stimmen und neue Mitstreiter kämpfen.
An diesem heißen Junisonntag wurde die Geduld der Linke-Delegierten an den Bildschirmen und im überhitzten Saal in Berlin noch einmal auf die Probe gestellt. Nachdem die Abstimmungen über Änderungsanträge zur Asyl- und Migrationspolitik und zur Friedenspolitik am Samstag im vereinfachten Verfahren zügig durchgezogen worden waren, ging es nun abermals mit zeitaufwendigerem Prozedere um Formulierungen in Einleitung und Schlusswort. Während am Vortag nur die Anträge kurz vorgestellt werden durften, gab es nun zusätzlich wieder die Möglichkeit zur Für- und Gegenrede.
Im Kern ging es den Antragstellern, meist sprachen sie für die Plattform Geraer Sozialistischer Dialog, darum, dass bereits in der Präambel klargestellt werden solle, dass die Linke den Kapitalismus abschaffen wolle. Das wurde aber mit großer Mehrheit abgelehnt. Thorben Peters aus Niedersachsen kritisierte die unscharfe, von Ko-Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow zum Parteitagsauftakt geforderte »warme Sprache der Herzen« in der Einleitung. Stefan Hartmann, Mitglied des Bundesvorstands und Chef der sächsischen Linken, riet erfolgreich, diese beizubehalten.
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Thies Gleis von der Antikapitalistischen Linken sagte, die Partei brauche »Identitätspolitik«. Das heiße: »Wir müssen schon in der Einleitung des Programms als Sozialistinnen und Sozialisten identifizierbar sein«. Deshalb brauche es auch eine »Aussage über den Charakter dieses Systems« und darüber, dass die Linke es überwinden wolle. Bundesgeschäftsführer Jörg Schindler sagte, solche Aussagen würden implizieren, die anderen Parteien stünden »auf der Seite der Kapitalisten«. Die Linke aber wolle eine »fortschrittliche Bündnispolitik« und »gemeinsam mit anderen Kräften auch innerhalb des Systems Fortschritte erkämpfen, weil wir keine revolutionäre Situation haben«. Die Partei müsse offen für alle sein, »die für fortschrittliche Anliegen zu gewinnen sind«. Delegierten folgten dieser Argumentation.
Nach dieser letzten Debatte wurde das Wahlprogramm mit seinen weitreichenden sozialen, friedenspolitischen und emanzipatorischen Forderungen am Sonntagmittag mit den Stimmen von 87,8 Prozent der Delegierten beschlossen. Vor dem Parteitag war bereits das Gros der rund 1000 Änderungsanträge von Vorstand und Antragskommission in den Programmentwurf übernommen worden, für die rund 150 übrig gebliebenen Modifizierungswünsche nahmen sich die Delegierten noch sieben Stunden Zeit.
Nach der Programmverabschiedung riefen die Spitzenkandidat*innen zur Bundestagswahl, Janine Wissler und Dietmar Bartsch, die Genossen zu Geschlossenheit und zum engagierten Wahlkampf auf. »Lasst uns rausgehen, an die Hautüren, vor die Betriebe, auf die Straßen und Plätze, nah bei den Menschen, ihren Sorgen und Träumen«, rief Wissler den Delegierten und Mitgliedern zu. Sie erinnerte daran, dass Veränderung Bewegung brauche. Die Linke müsse deshalb weiter an der Seite der Gewerkschaften, von Gruppen wie Black Lives Matter, der Seebrücke für die Aufnahme Geflüchteter und den neuen feministischen Bewegungen stehen. Sie alle könnten helfen, »Alternativen von links lauter und sichtbarer zu machen«.
Die Linke habe jetzt eine große Verantwortung, denn sie werde gebraucht, gerade weil in der Coronakrise so viele »ärmer und einige wenige reicher geworden« seien. »Gerade die, die gesundheitlich und sozial gefährdet sind, wurden im Stich gelassen«, sagte die Ko-Parteivorsitzende und kritisierte insbesondere die Politik der Unionsparteien und des Gesundheitsministeriums scharf.
Dies tat auch Dietmar Bartsch, und zum Parteitagsauftakt hatte bereits Ko-Parteichefin Susanne Hennig-Wellsow die Mitglieder auf die Union als Hauptgegner im Wahlkampf eingeschworen. Kämen CDU und CSU erneut an die Macht, bedeute das »Kampf gegen die Armen«. Sie wolle, dass sich ab dem Tag nach der Bundestagswahl am 26. September für Millionen Prekarisierte etwas zum Besseren wende, sagte Hennig-Wellsow. Aus ihrer Sicht ist klar, dass sich substanzielle Verbesserungen für die Mehrheit der Menschen nur erreichen lassen, wenn die Linke Teil einer »progressiven« Regierung wird. Es bringe niemandem »150 Euro Hartz IV mehr im Monat, wenn wir uns streiten«, mahnte sie.
Um die Lage in der Partei zu befrieden, hatte Hennig-Wellsow unmittelbar vor dem Programmparteitag den Mitgründer der Partei, Oskar Lafontaine, besucht. Dieser hatte nicht nur die vorige, sondern auch die neue Parteispitze wiederholt öffentlich kritisiert. Am Samstag waren jedoch versöhnliche Töne von ihm zu vernehmen. »Wir müssen alle Anstrengungen unternehmen, um wieder in den Bundestag zu kommen«, sagte der Chef der Linksfraktion im saarländischen Landtag dem Redaktionsnetzwerk Deutschland. Bei allen Differenzen herrsche »große Übereinstimmung« darin, dass die Linke die einzige Kraft sei, »die gegen Kriegseinsätze und Sozialabbau stimmt«.
Das betonte auf dem Parteitag auch Ko-Fraktionschefin Amira Mohamed Ali, die zugleich SPD und Grüne kritisierte. Beide Parteien sollten darlegen, wie sie mit Union und FDP soziale Politik durchsetzen wollen. Ko-Fraktionschef Bartsch merkte mit Blick auf das Wahlprogramm der Grünen an, man habe mit der Partei zwar zum Beispiel hinsichtlich der Rechte von Kindern viel Übereinstimmung. »Aber wer bewaffnete Drohnen nicht ablehnt, den Spitzensteuersatz und Hartz IV nur ein bisschen erhöhen will, der zeigt seine Prioritäten«, konstatierte Bartsch.
Wissler erinnerte wie andere Rednerinnen am Vortag daran, dass die Linke in der zu Ende gehenden Legislatur gezeigt habe, dass sie die Partei der Mieter sei: »Der Mietendeckel in Berlin war ein mutiger Schritt und ein Akt der Notwehr, nun müssen wir auf Bundesebene dafür kämpfen.«
Wissler kündigte auch an, die Linke werde auch für eine »Bildungsrevolution für längeres gemeinsames Lernen, für eine Schule alle« und für eine Umsetzung des Rechts auf Inklusion streiten. Zudem forderte sie, rechte Netzwerke in Polizei und Bundeswehr dürften nicht länger »kleingeredet und verharmlost werden«. Vielmehr müssten sie aufgeklärt und zerschlagen werden, schließlich hätten die darin agierenden Personen Zugang zu Waffen und Munition. Die Linke sei und bleibe »die laute Stimme gegen rechts und alle Formen von Rassismus«. Solidarität ende dabei für sie nicht an den Grenzen Deutschlands und der EU, stellte Wissler klar.
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