Am Ende siegt die gute Sache

Münchens »Regenbogenprotest« wird aus formalen Gründen abgelehnt. Die Uefa schießt damit ein Eigentor

Am Ende überraschte die Nachricht niemanden mehr: Europas Fußballverband Uefa lehnte am Dienstagmorgen die Bitte der Stadt München ab, ihr EM-Stadion in den Regenbogenfarben leuchten zu lassen, wenn Deutschland und Ungarn dort an diesem Mittwochabend (21 Uhr, ZDF) um den Achtelfinaleinzug bei der Europameisterschaft kämpfen werden. Es sollte eine Solidaritätsbekundung mit der LGBTQ-Community sein, aber auch ein Protest gegen das jüngste Gesetz der ungarischen Regierung des rechten Ministerpräsidenten Viktor Orbán, das Kindern und Jugendlichen zugängliche Bücher und Filme verbietet, in denen Sexualität dargestellt wird, die von der heterosexuellen abweicht. Darüber hinaus soll Werbung verboten werden, in der Trans- oder Homosexuelle als Teil der Normalität dargestellt werden.

Auch die folgende Kritik an der Uefa war wenig überraschend: Politiker von ganz links bis hin zu CSU-Chef Markus Söder reagierten empört, frustriert oder enttäuscht auf die Entscheidung. Und die Einlassungen blieben nicht auf Deutschland beschränkt: Frankreichs Europa-Staatssekretär Clément Beaune bedauerte: »Das wäre ein sehr starkes Symbol gewesen.« Lediglich der Interimspräsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB), Rainer Koch, verteidigte den Uefa-Beschluss - auch nicht wirklich überraschend - mit dem bürokratischen Verweis auf Satzung und Statut.

Formal mögen Koch und die Uefa recht damit haben, dass die Aktion ein bewusster politischer Protest hätte werden sollen. Und da man sich selbst als »politisch und religiös neutrale Organisation« bezeichnet, würde sie gegen eigene Statuten verstoßen. Da die Uefa zudem alle europäischen Verbände unter ihrem Dach vereint und diese paneuropäische EM auch noch als Fest der Völkerverständigung hochjubelt, konnte sie Streitigkeiten zwischen Turnierteilnehmern für ihr Branding einfach nicht gebrauchen.

Dennoch haben sich die EM-Organisatoren hier ein Eigentor geschossen. Die Protestwelle, die nun über halb Europa schwappt - Englands ehemaliger WM-Held Gary Lineker empfahl den Münchnern: »Macht es trotzdem! Die können uns mal!« -, ist schon jetzt viel höher als diejenige, die von den Ungarn zu erwarten gewesen wäre. Der Verband hätte zudem auch moralisch auf der richtigen Seite stehen können, hätte er sich mit einer unterdrückten Minderheit solidarisiert. Stattdessen versteckt er sich hinter Paragrafen, um einem Autokraten, dessen Stadion man vielleicht noch für das EM-Endspiel braucht, nicht auf die Füße zu treten. Ein PR-Desaster.

Bleibt die Frage, ob die Münchner einen Fehler begingen, als sie in der Anfrage an die Uefa bewusst Bezug auf das ungarische Gesetz nahmen. Schließlich gaben sie den Fußballfunktionären dadurch die Begründung für den »Neutralitätsausstieg« gleich mit an die Hand. Ein reines Solidaritätssymbol mit der LGBTQ-Community wäre dagegen kaum abzulehnen gewesen, besonders nachdem die Uefa bereits die Kapitänsbinde Manuel Neuers in den Regenbogenfarben als Einstehen für einen »Good Cause«, also für die gute Sache, zugelassen hatte.

Dennoch ist der Stadt München gerade durch die provozierte Absage wohl ein echter Coup gelungen. Solidarische Statements gegen Rassismus und Homophobie hat es im Fußball schließlich schon viele gegeben. Auch von der Uefa. Derlei kann Diskriminierung aber kaum aufhalten, schon gar nicht diskriminierende Gesetze in autokratisch regierten Ländern. Durch die Ablehnung seitens der Uefa aber ist die Aufmerksamkeit noch einmal viel größer geworden, als sie durch ein beleuchtetes Stadion je hätte sein können.

Nun werden am Mittwochabend in Deutschland viele Stadien in den Regenbogenfarben angestrahlt: Dem Twitter-Aufruf von Eintracht Frankfurts Vorstandssprecher Axel Hellmann (»Wenn München nicht darf, müssen die anderen Stadien Farbe bekennen. Auf jetzt, Kollegen!«) folgten die Verantwortlichen in Berlin, Köln, Augsburg und Wolfsburg. Außerdem wollen Aktivisten den Fans vor dem Betreten des Stadions Tausende Regenbogenfahnen in die Hand geben.

Ganz nebenbei wächst durch den Aufschrei der Druck auf die EU-Kommission, die Ungarn bereits die Prüfung des vor einer Woche beschlossenen Gesetzes angedroht hatte. Münchens Oberbürgermeister Dieter Reiter begnügte sich am Dienstag aber erst einmal damit, die Funktionäre heftig anzugehen: »Ich finde es beschämend, dass die Uefa uns verbietet, ein Zeichen für Vielfalt, Toleranz, Respekt und Solidarität zu setzen.« Das stimmt natürlich nicht so ganz, denn zumindest offiziell hat die Uefa den damit verbundenen politischen Protest verboten und eine Alternative angeboten. Die Arena am 28. Juni in den Regenbogenfarben zu beleuchten, also am Christopher Street Day, an dem in München aber kein Spiel stattfindet, bezeichnete Reiter jedoch als »lächerlichen Gegenvorschlag«.

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