Unsichere Haltung zur Demokratie
Mitte-Studie: Eindeutig rechte Einstellungen gehen zurück
Eindeutig rechtsextreme Einstellungen gehen in der Mitte der Gesellschaft zurück. Allerdings ist die Mitte teilweise »offen für antidemokratische Positionen«, und auch die Ablehnung von Antisemitismus »weicht auf«. Abwertende Meinungen über »Fremde« oder arme Gruppen seien weiterhin verbreitet, ebenso »populistische« Meinungen. Zu diesem Ergebnis kommt die aktuelle Mitte-Studie der SPD-nahen Friedrich-Ebert-Stiftung. Am Dienstag wurde sie in Berlin vorgestellt.
Rechtsextreme und antidemokratische Einstellungen finden sich nicht nur am rechten Rand der Gesellschaft, sondern auch in ihrer Mitte. Diese wichtige Feststellung wird seit 2006 von der Mitte-Studie alle zwei Jahre empirisch untersucht. Die aktuelle repräsentative Umfrage fand von Dezember 2020 bis zum Februar 2021 statt, 1750 Menschen wurden befragt. Mit »Mitte« meinen die Forscher den Querschnitt der Bevölkerung.
Die Einschätzung zur aktuellen Lage fällt ambivalent aus. Demnach gibt es zwar einen Rückgang bei eindeutigen Zustimmungen zu rechten Einstellungen in fast allen Kategorien. Gleichzeitig gibt es aber wesentlich mehr »teils/teils«-Antworten. »Das kann bedeuten, dass die Mitte weniger diskriminierende Einstellungen vertritt und sich der Gefahr bewusster wird - es kann aber auch bedeuten, dass die Mitte in Teilen abwertend eingestellt ist und sich in den Graubereich flüchtet«, erklären die Studienautoren.
Nur 2,2 Prozent der Bevölkerung befürworten etwa eine rechte Diktatur, doch mehr als 15 Prozent befinden sich im Graubereich zwischen Zustimmung und Ablehnung. 13 Prozent der Befragten teilen zudem deutlich rechtspopulistische Einstellungen, die sich nicht nur gegen »die Eliten« wenden, sondern auch gegen als »fremd« empfundene Menschen. In Ostdeutschland ist der Wert noch höher. »Nach einer Phase der Polarisierung und Radikalisierung am rechten Rand der Mitte verhärtet sich nun die Demokratiedistanz in Teilen der Mitte«, erklärte Studienleiter Andreas Zick von der Universität Bielefeld. Daraus speise sich »im schlimmsten Fall auch die Rechtfertigung von Bedrohung, Hass und Gewalt«.
13 Prozent der Befragten äußerten weiterhin einen Israel-bezogenen Antisemitismus, 7,5 Prozent stimmen offen antisemitischen Meinungen zu. »Die deutliche Ächtung des Antisemitismus weicht auf«, erklärte Co-Autorin Beate Küpper von der Hochschule Niederrhein. Ein weiteres zentrales Thema ist die zunehmende Abgrenzung einzelner Gruppen von einem »rationalen Grundkonsens«. »Die Relativität der eigenen Meinung, der Wille und die Fähigkeit, Meinungen auf Fakten zu basieren, sind gefährdet«, heißt es in der Untersuchung. Vor allem die Corona-Pandemie habe die Demokratie dabei herausgefordert. »Auf den Demonstrationen gegen die Coronaregeln wird leicht sichtbar, wie verbunden Rechtspopulisten, Rechtsextreme, Coronaleugner und Menschen aus der Mitte beieinanderstehen«, so Andreas Zick. Die Studienautoren betonen die Bedeutung von politischer Bildung für demokratische Kultur.
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