Das große Streichkonzert bleibt aus

Senat beschließt ersten Entwurf für den Doppelhaushalt 2022 und 2023

  • Rainer Rutz
  • Lesedauer: 4 Min.

Viel war zuletzt im Zusammenhang mit den finanziellen Lasten der Coronakrise über großflächige Einsparungen im Berliner Landeshaushalt spekuliert worden. Tatsächlich soll die Reise eher in die entgegengesetzte Richtung gehen und das bisherige Ausgabenniveau insgesamt sogar erhöht werden. Das zumindest sieht - grob umrissen - der am Dienstag vom rot-rot-grünen Senat verabschiedete erste Entwurf für den Berliner Doppelhaushalt 2022 und 2023 vor.

Obwohl es im Vorfeld »viele Unkenrufe gab«, sei Berlins Wirtschaftsleistung im vergangenen Jahr mit rund drei Prozent weniger stark eingebrochen als die in anderen Bundesländern, sagte Finanzsenator Matthias Kollatz (SPD) im Anschluss an die Senatssitzung. Damit es »bei dieser Erfolgsstory« bleibe, wolle man an der in der Vergangenheit eingeschlagenen Investitionspolitik festhalten, so Kollatz.

Es waren denn auch vor allem die Großprojekte, auf die sich der SPD-Politiker, beständig in seinen Papier blätternd, bei der Präsentation des Haushaltsentwurfs konzentrierte. So seien hier etwa die Kosten für den Einstieg in die alles in allem 277 Millionen Euro schwere Sanierung der Komischen Oper berücksichtigt. 42 Millionen Euro werden für das Olympiastadion bereitgestellt, um es für bis zu sechs Spiele der Fußball-Europameisterschaft 2024 zu »ertüchtigen«. Weiter in der Aufzählung: hohe Ausgaben für den Forschungs- und Gewerbepark »Urban Tech Republic« auf dem früheren Flughafengelände in Tegel, die Fortsetzung der Berliner Schulbauoffensive, die Ausbildung von Polizeibeamten. Kurzum: Dem Senator war am Dienstag vor allem am Aufzeigen der »zukunftsweisenden Schwerpunkte« gelegen. Der Senat habe den Gesamtentwurf »sehr einmütig beschlossen«, verkündete Kollatz.

Auf die eigentlichen Eckpunkte für den Landeshaushalt der kommenden zwei Jahre hatte sich der Senat dabei bereits Ende Dezember verständigt - und daran auch im nun vorgelegten Erstentwurf nichts verändert. Demnach beläuft sich das Gesamtvolumen im Haushaltsjahr 2022 auf 33,9 Milliarden Euro und im Jahr darauf auf 35,6 Milliarden Euro, eine Steigerung von jährlich etwas mehr als vier Prozent.

Entwarnung gibt es dabei vorerst für die zwölf Berliner Bezirke, die bis zuletzt ein großes Streichkonzert zu ihren Lasten befürchtet hatten. Statt weniger soll es auch hier mehr Geld geben. Nach 9,5 Milliarden Euro im laufenden Jahr werden die Ausgaben für die Bezirke dem Entwurf zufolge im Haushaltsjahr 2022 auf 9,9 Milliarden Euro, in dem darauf auf 10 Milliarden Euro erhöht. Und auch die Sorge um einen haushalterisch vergleichsweise winzigen, für viele Schüler, Eltern und Lehrkräfte jedoch umso wichtigeren Posten räumte Kollatz auf nd-Nachfrage aus dem Weg: Die bisher zur Verfügung gestellten Mittel für die Tagesreinigung der Berliner Schulen - im laufenden Jahr neun Millionen Euro - sollen sich nun, anders als zuvor offenkundig von der Finanzverwaltung geplant, auch im kommenden Doppelhaushalt wiederfinden.

Sicher, die Coronakrise habe ihre Spuren hinterlassen. Nach Krisen, das sei nun mal immer so, »werden Bevölkerungen nicht reicher«, sagte Kollatz. Er sehe aber eine »V-förmige« Entwicklung, soll heißen: Erst geht’s steil bergab, dann geht’s ebenso rasant wieder aufwärts, ohne lange Talsohle des haushalterischen Elends. Mit einem Defizit von schätzungsweise gut 3,8 Milliarden Euro werde laut Kollatz in diesem Jahr der tiefste Punkt erreicht. In den Jahren darauf werde das Minus geringer ausfallen. Wenig überraschend werde es ohne neue Kreditaufnahmen trotzdem nicht gehen: Insgesamt fast 1,2 Milliarden Euro Nettokreditaufnahmen sind für die beiden Haushaltsjahre zusammen im Entwurf geplant. Angesichts niedriger Zinsen glaubt Kollatz gleichwohl an ein »Herauswachsen aus der Krise«.

So oder so müsse Berlin kurz- und mittelfristig mit beträchtlichen Einnahmerückgängen umgehen. Durch die Corona-Pandemie habe das Land um die 1,5 Milliarden Euro jährlich weniger in der Kasse.

Klar ist, dass es sich bei Kollatz’ vom Senat abgesegneten Plan nur um eine Vorstufe des eigentlichen Haushaltsgesetzes handelt. Mit einem überarbeiteten zweiten Entwurf rechnet niemand vor Ende des Jahres - und damit nach den Abgeordnetenhauswahlen und möglicherweise unter einem anderen Finanzsenator. Schätzungen, wann am Ende das entsprechende Gesetz das Abgeordnetenhaus passiert, reichen unter den parlamentarischen Haushaltsexperten vom 1. Quartal 2022 bis kurz vor der Sommerpause des Parlaments, also ziemlich genau in einem Jahr. Noch viel Zeit, um sich über einzelne Posten gepflegte Kleinkriege zu liefern.

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