Erfolg hat, wer lange fit bleibt

Warum für die Österreicher bei dieser EM das Regenerieren wichtiger ist als das Trainieren

  • Frank Hellmann, Seefeld
  • Lesedauer: 4 Min.

Es ist nicht anzunehmen, dass es David Alaba in seiner Zeit beim FC Bayern München an Annehmlichkeiten gefehlt hat. Wo auch immer die Reisen mit dem deutschen Rekordmeister den gebürtigen Wiener hinführten, stiegen die Münchner Stars zumeist in den edelsten Herbergen ab. Das Basiscamp der österreichischen Nationalmannschaft setzt beim Wohlfühlfaktor aber gerade das Sahnehäubchen. Als der Kapitän zuletzt ehrlich antwortete sollte, ob er die nächsten Tage lieber in Tirol bleiben oder heim zur Familie reisen würde, legte der 28-Jährige ausdrücklich ein klares Bekenntnis für die vom Österreichischen Fußball-Bund (ÖFB) ausgesuchte Herberge in der Gemeinde Mösern bei Seefeld ab.

Das Luxushotel hält, was es verspricht - das wird jeder bei der deutschen Nationalmannschaft bestätigen. Denn vor dem Einzug der Österreicher hatten die Deutschen während ihres EM-Trainingslagers in dem in einen Hang hineingebauten Komplex logiert - und der eine oder andere hätte es hier auch fürs ganze Turnier ausgehalten. Nun aber ist der Ort die elementare Kraftquelle der österreichischen Auswahl. Vielleicht war sie sogar entscheidend für den historischen Einzug ins Achtelfinale gegen Italien am kommenden Samstag.

Andrej Schewtschenko, Teamchef der ukrainischen Mannschaft, räumte nach dem verlorenen Abnutzungskampf im letzten Gruppenspiel am Montag (0:1) jedenfalls ein: »Die Österreicher waren körperlich stärker als wir.« Mehr Lob für die Trainingssteuerung ist kaum möglich, weshalb der renommierte Sportwissenschaftler Gerhard Zallinger nun eigens auf einer Pressekonferenz über den Erfolgsfaktor Fitness sprach: »Wir haben die Spiele von der körperlichen Seite sehr gut absolviert«, sagte der promovierte »Performance Manager«, man habe »physisch etwas über dem Gegner gestanden«.

Der auch schon mit Leichtathleten und Wintersportlern extrem erfolgreiche Zallinger vertritt dabei die These, dass im Bereich der Regeneration wahrscheinlich noch die größten Reserven im Leistungssport liegen. Daher wird vom Relaxen im Ermüdungsbecken, über Stabilisationstraining, Physiotherapie und Massagen bis zum Radeln auf dem Mountainbike für jeden ein individuelles Erholungspaket geschnürt - angepasst an die jeweiligen Bedürfnisse der Fußballer.

Dabei legt das österreichische Trainerteam großen Wert auf das Zusammenspiel mit der mentalen Komponente, die Nationaltrainer Franco Foda nach den ernüchternden Erlebnissen im März - darunter ein 0:4 in der WM-Qualifikation gegen Dänemark - im geheimen Feintuning angesteuert hat. Der gebürtige Mainzer mit italienischen Wurzeln beriet sich mit externen Fachleuten, wie in herausfordernden Corona-Zeiten Kopf und Beine auf Höchstleistung getrimmt werden können. Der im zehnten Jahr für Österreichs Verband tätige Zallinger sagt, dass sich die Euphorie jetzt weiter positiv auswirken könne: »Der Körper folgt dem Geist. Wenn du mit Überzeugung, mit Entschlossenheit auf dem Platz stehst, kannst du mehr leisten.«

Das soll auch gegen Italien der Schlüssel sein. »Wir müssen noch eine Schippe drauflegen, brauchen einen Top-Tag. Aber warum soll es für uns nicht weitergehen?«, fragt der gegen die Ukraine zum »Spieler des Spiels« gewählte Florian Grillitsch. Eines verspricht der Mittelfeldmann der TSG Hoffenheim: »Wir werden von Anpfiff bis Abpfiff voll da sein.« Und notfalls auch eine Verlängerung durchhalten. Der große Zusammenhalt soll einen Schub geben, um erstmals bei einem Turnier die Italiener zu schlagen.

Das einzige, was aufs Gemüt drückt, ist der nächste Spielort: London. Denn zum Achtelfinale in Wembley darf nur der Verbandstross reisen, für Fans und größtenteils auch die Journalisten ist der England-Trip wegen der Reiserestriktionen in ein Virusvariantengebiet und wieder hinaus unmöglich. Daher äußert Foda auch den Wunsch nach einer Verlegung der Partie. Der wird ihm jedoch kaum erfüllt werden. »Es ist natürlich schade«, erklärt Sportdirektor Peter Schöttel, »wenn bei unserem ersten EM-Achtelfinale überhaupt niemand aus Österreich dabei sein kann.«

So bleibt nur ein Ausweg: Als Außenseiter »gegen die beste Mannschaft des Turniers« (Schöttel) eine Sensation schaffen. Denn das Viertelfinale würde dann in München stattfinden. Dahin kämen die Österreicher viel leichter - und David Alaba kennt sich dort auch noch bestens aus.

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