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Wächter konservativer Werte
Italiens Parlament berät Gesetz gegen Homophobie und Diskriminierungen - Vatikan schaltet sich ein
Das hat es so noch nie gegeben: Der Vatikanstaat interveniert beim italienischen Staat, um Einfluss auf einen Gesetzentwurf zu nehmen, über das derzeit im italienischen Parlament diskutiert wird.
Der Gesetzentwurf richtet sich gegen Homo- und Transphobie - solche oder ähnliche Gesetze gibt es bereits in fast allen europäischen Staaten, was auch die EU ausdrücklich von ihren Mitgliedern gefordert hat.
Nicht die italienische Bischofskonferenz, sondern das Außenministerium des Vatikanstaates hat sich zu Wort gemeldet. Die Novelle zur Verschärfung der Strafen für Homo- und Transphobie solle verändert werden, weil sie so gegen das Konkordat zwischen katholischer Kirche und dem italienischen Staat verstoße. Dieser diplomatische Akt ist umso ungewöhnlicher und verwunderlicher, da über diesen Gesetzentwurf derzeit im zuständigen Ausschuss der Abgeordnetenkammer diskutiert wird - und das seit Monaten!
Die Vorlage, die der demokratische Abgeordnete Alessandro Zan ausgearbeitet hat, sieht härtere Strafen für Hassverbrechen und Diskriminierungen von Homosexuellen, Transsexuellen, Frauen und Menschen mit Behinderungen vor. Ein ähnliches Gesetz gibt es in Italien bereits gegen Rassismus und religiöse Diskriminierungen.
Zwei Punkte hält der Vatikan für »gefährlich«. Einerseits die Gedankenfreiheit: So wolle man nach Ansicht des Vatikans den Menschen die Sichtweise aufzwingen, dass Homosexualität ein natürliches Phänomen und keine Krankheit ist und dass das Spektrum der Menschheit nicht nur aus Frauen und Männern besteht.
Das stimmt nicht, sagen hingegen die Befürworter des Gesetzes. Denken und auch sagen dürfe natürlich jeder weiterhin, was er wolle, meint zum Beispiel Gabriele Piazzoni, Vorsitzender der Schwulen-Organisation Arcigay. »Es soll hingegen unter Strafe gestellt werden, jemanden dazu aufzufordern, Menschen wegen ihrer sexuellen Orientierung auszugrenzen oder anzugreifen. Das hat mit Gedankenfreiheit überhaupt nichts zu tun!«
Der zweite Punkt betrifft einen nationalen Tag gegen die Homophobie. Der soll überall und vor allem auch in den Schulen begangen werden und eine Kultur des Respekts fördern. Da das für alle italienischen Schulen - auch die privaten und religiösen - gelten soll, sieht der Vatikan darin eine Verletzung des Konkordats, das für die katholischen Einrichtungen in Italien die Lehrfreiheit vorsieht.
Im Parlament in Rom wird der Gesetzentwurf seit Monaten von den rechten und ultrarechten Parteien boykottiert. Da die augenblickliche Regierung von einer extrem breiten Mehrheit gestützt wird, die von links bis rechts reicht, ist bei diesem Punkt auch die Exekutive gespalten. Die Demokraten und auch die Fünf-Sterne-Bewegung haben immer wieder erklärt, dass dieses Gesetz nicht nur notwendig, sondern längst überfällig sei, um das Land auch gesellschaftlich voranzubringen.
So hat der Vorsitzende der Abgeordnetenkammer, Roberto Fico von den Fünf Sternen, auch hart gegen die Note des Vatikans protestiert. »Das Parlament ist unabhängig, und so wird es auch bleiben!«, betont er. »Wenn dieses Gesetz das Konkordat verletzt, dann heißt das eigentlich nur, dass man das Konkordat abschaffen muss«, erklärte Maurizio Acerbo, Vorsitzender der linken Partei Rifondazione Comunista.
Die rechten Parteien jubilieren nun und verbreiten ununterbrochen Falschnachrichten wie: »Mit dem Gesetz will man schon den Kindern beibringen, dass es keinen Unterschied zwischen Mann und Frau gibt«, oder: »Ab morgen könnte man auf der Grundlage des Gesetzes jeden Priester vor Gericht stellen, der die katholische Lehre predigt.«
Viele Beobachter sind der Meinung, dass sich mit der Stellungnahme des Vatikans einmal mehr die tiefe Spaltung zeigt, die es derzeit in der katholischen Kirche gibt. Auf der einen Seite die nationalen Bischofskonferenzen, die oft dialogbereit sind, weil sie sehen, dass sich immer mehr Gläubige von der Kirche abwenden. Auf der anderen ein Teil des Vatikanstaats, der sich als Wächter über die »alten Werte« sieht und jegliche Änderung von vornherein ablehnt.
Ministerpräsident Mario Draghi hat sich noch nicht geäußert. Er will den Fall erst einmal »studieren« und erst dann etwas dazu sagen.
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