• Politik
  • Politisches System in Italien

Italiens Sterne sinken rasch

Die vor zehn Jahren von Beppe Grillo gegründete populistische Bewegung M5S zerlegt sich

  • Anna Maldini, Rom
  • Lesedauer: 4 Min.

Die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S), die immer noch die relative Mehrheit im Parlament in Rom hat, scheint sich aufzulösen und ist nur noch ein Scherbenhaufen. Und ein Ende der Abwärtsspirale ist noch nicht in Sicht.

Ein kurzer Blick auf die Geschichte der Partei hilft vielleicht beim Verständnis der augenblicklichen Situation - wobei tatsächlich auch die sogenannten Experten nur ungläubig den Kopf schütteln. Die Fünf-Sterne-Bewegung wurde vor etwa zehn Jahren von dem Satiriker Beppe Grillo ins Leben gerufen, der mit seinen gesellschaftskritischen Shows Hunderttausende in die Theater gelockt hatte. Er prangerte die Gier des Kapitalismus und die Unfähigkeit der Politik an und wollte die »direkte Demokratie«, in der alle Entscheidungen kollektiv getroffen werden.

In den Jahren danach war der Zulauf enorm und bei den letzten Parlamentswahlen 2018 erhielt die Partei über 32 Prozent der Stimmen und wurde größte Fraktion. Aber genau da begannen auch die Schwierigkeiten: Man suchte Koalitionspartner, egal, welche politische Richtung sie vertraten. Schließlich wurde eine Regierung mit der stramm rechten »Lega« gebildet. Den Ministerpräsidenten zauberte Peppe Grillo, der aufgrund einer Verurteilung wegen fahrlässiger Tötung nicht wählbar ist, selbst aus dem Hut: den in der Öffentlichkeit vollkommen unbekannten Anwalt und Rechtsprofessor Giuseppe Conte. Da ein gemeinsames Regierungsprogramm zwischen so unterschiedlichen Parteien nicht möglich war, beschloss man, den Kuchen so aufzuteilen, dass beide Parteien Erfolge verzeichnen konnten.

In dieser Zeit gab es die ersten innerparteilichen Probleme und mehrere Abgeordneten wurden ausgeschlossen oder gingen »freiwillig«. Im Sommer 2019 platzte die Regierung, weil die Lega auf Neuwahlen setzte, von denen sie sich große Erfolge versprach. Tatsächlich aber machte M5S eine radikale Kehrtwende und koalierten mit den Sozialdemokraten. Zu all dem gab Beppe Grillo, der für sich die Funktion des »Garanten« in Anspruch nimmt, seinen Segen. Inzwischen gab es immer wieder Diskussionen über die Organisationsform der Partei, das Statut und die Mitgliederlisten ...

Aufgrund der Pandemie und vor allem der desaströsen Wirtschaftslage wurde dann im Februar dieses Jahres auf höchster Ebene beschlossen, den ehemaligen Chef der Europäische Zentralbank Mario Draghi als Ministerpräsidenten für eine Regierung der »nationalen Einheit« zu berufen, der alle Parteien mit Ausnahme der Neofaschisten angehören. Grillo selbst erklärte, dass der Europabankier »einer von ihnen« sei und bestimmte Giuseppe Conte, der inzwischen eine große Popularität erlangt hatte, zum »politischen Chef« der Fünf Sterne.

Inzwischen aber hatte die Partei schon 33 ihrer 339 Parlamentarier verloren und in den Umfragen liegt sie heute bei kapp 16 Prozent. Außerdem hatte sich eine der Säulen der Bewegung, die Informatikfirma Casaleggio, die praktisch die gesamte Organisation und alle internen Abstimmungen kontrolliert, losgelöst und einen Rechtsstreit initiiert, bei dem sie sich weigerte, die Mitgliederlisten herauszugeben. Kurz gesagt: ein einziges politisches und organisatorisches Chaos!

Das vorerst letzte Kapitel ist ein Streit zwischen Grillo und Conte, den beiden wichtigsten Figuren der Bewegung. Conte hatte gedacht, er könne als »politischer Chef« eigenständig Entscheidungen fällen, während Grillo nicht gewillt ist, die Macht über »seine Kreatur« auch nur ansatzweise aus der Hand zu geben. »Conte ist ein Mensch, der keinerlei Ideale und politische Visionen hat«; »Grillo ist ein autokratischer Alleinherrscher« sind dabei noch freundliche Erklärungen.

Das ist der (vorläufige) Stand der Dinge. Wenn es zur Spaltung kommt, was wahrscheinlich erscheint; wie viele Abgeordnete und Wähler schlagen sich dann auf welche Seite? Und welche Auswirkung wird das auf die Draghi-Regierung haben, deren Mehrheitsaktionär ja immer noch die Fünf-Sterne-Bewegung ist? Die Senatorin Paola Nugnes, die M5S bereits 2019 verlassen hat, weil sie die Sicherheits- und Migrationspolitik des damaligen Innenministers Matteo Salvini von der Lega nicht mitverantworten wollte, sagt: »Wenn die Fünf Sterne sich auflösen, entsteht ein großes Loch. Ich hoffe und denke, dass dies jetzt für die linken Parteien die Möglichkeit eröffnet, einen Großteil der Anhänger und Protestwähler zurückzugewinnen.«

Wir-schenken-uns-nichts
Unsere Weihnachtsaktion bringt nicht nur Lesefreude, sondern auch Wärme und Festlichkeit ins Haus. Zum dreimonatigen Probeabo gibt es ein Paar linke Socken von Socken mit Haltung und eine Flasche prickelnden Sekko Soziale – perfekt für eine entspannte Winterzeit. Ein Geschenk, das informiert, wärmt und das Aussteiger-Programm von EXIT-Deutschland unterstützt. Jetzt ein Wir-schenken-uns-nichts-Geschenk bestellen.
- Anzeige -

Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.

Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.

Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.

Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.