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Importierte Pistolen töten Minderjährige
Kolumbien wird von einer Gewaltwelle erschüttert, bei der Millionen illegal zirkulierende Waffen aus dem Ausland eine wichtige Rolle spielen
Handfeuerwaffen, die illegal nach Kolumbien kommen, sind dort ein gravierendes Problem. Laut Recherchen des Kinderhilfswerks Terre des hommes zirkulieren in dem sudamerikanischen Land mindestens 4,2 Millionen Stück. Doch wenn es nach der Regierung von Iván Duque geht, sollen es noch mehr werden. Sie will den Kolumbianer*innen den Besitz von Waffen ermöglichen, obwohl im Zuge der Proteste der vergangenen Monate Zivilist*innen auf Demonstrant*innen schossen - und das unter den Augen der Polizei. Zynisch sei die Politik, meint William León, Projektkoordinator von Terre des Hommes in Kolumbien.
Laut der Nichtregierungsorganisation hat die Regierung in Bogotá auch rund 125 000 Sig-Sauer-Pistolen des Modells SP 2022 im Wert von 65 Millionen Dollar zwischen 2009 und 2012 über die USA gekauft. »Ziel war es, die kolumbianische Polizei auszurüsten«, erläutert León. Doch etliche dieser Waffen seien aus Polizeimagazinen verschwunden, gestohlen oder verkauft worden, so der Sozialwissenschaftler. »Sie werden von Drogenbanden, Paramilitärs und Guerillagruppen eingesetzt, aber auch von korrupten Polizei- und Militärangehörigen.« Augenzeugenberichte, Videos und Fotos belegten, dass bei den massiven Sozialprotesten, die Kolumbien seit Ende April in Atem halten, Dutzende der meist jugendlichen Demonstrant*innen mit Handfeuerwaffen getötet wurden - von extremistischen Bürger*innen genauso wie von Polizist*innen in Zivil und Uniform, so Léon.
Mehr als 70 Morde im Kontext der sozialen Proteste haben Menschenrechtsorganisationen wie Temblores oder Indepaz dokumentiert. Die US-Menschenrechtsorganisation Human Rights Watch hat mehr als 20 Fälle belegt, in denen Demonstrant*innen gezielt von Sicherheitskräften beschossen wurden. Dass dabei Sig-Sauer-Handfeuerwaffen zum Einsatz kamen, sei wahrscheinlich, aber noch nicht im Detail belegt.
William Léon ist gerade erst aus Medellín, einer Drehscheibe des illegalen Waffenhandels, zurückgekommen, wo er Projektpartner besucht hat. »Waffen heizen die Konflikte, die Kolumbien seit mehr als 60 Jahren prägen, weiter an. Deshalb ist es wichtig, dass illegale Waffendeals wie die von Sig Sauer geahndet werden. Sie dürfen sich nicht lohnen«, mahnt er. Zahlreiche Menschenrechtsorganisationen in Kolumbien teilen diese Hoffnung.
Das wäre nämlich auch ein Signal an den seit August 2018 regierenden Präsidenten Duque, dessen Menschenrechtsbilanz geradezu desaströs ist. Von Jahr zu Jahr steigt die Zahl der Morde an Aktivist*innen für Menschen-, Umwelt- und Landrechte, und auch die von wahren Massakern. Dabei kommen immer wieder illegal importierte Waffen zum Einsatz. Der illegale Waffenhandel floriert nicht nur in Medellín, sondern auch in der Hafenstadt Buenaventura an der Pazifikküste und in der Hauptstadt Bogotá. In Bello nahe Medellín werden neben Handfeuerwaffen auch schwere Waffen wie Granatwerfer angeboten und verkauft, so die Richterin Liliana Arias gegenüber »nd«.
Auch ganz legal konnten Kolumbianer*innen deutsche Waffen beim staatlichen Waffenmonopolisten Indumil ordern, wie die Wochenzeitung »Semana« bereits 2014 berichtete. Das Unternehmen hatte damals unter der Rubrik »importierte Waffen« mehrere deutsche Produkte im Angebot, darunter auch eine P99 der Ulmer Firma Walther. Dies führte zu einer Debatte im Parlament, die aber folgenlos geblieben sei, wie León sagt.
Er plädiert für strikte Kontrollen. Doch davon ist Kolumbien weit entfernt. Präsident Duque plädiert stattdessen für eine Lockerung der Importvorschriften und für das Recht der Bürger*innen auf Waffenbesitz. Ein fatales Signal aus Perspektive von León angesichts der derzeitigen Gewaltwelle.
Angesichts dessen hat die kanadische Sektion von Amnesty International plädiert, Waffenexporte aus Kanada nach Kolumbien zu unterbinden. Noch wichtiger wäre aber ein derartiges Signal aus den USA, woher das Gros der Waffen stammt, die dorthin gelangen. Auch Sig Sauer nutzte seinerzeit die USA als Drehscheibe für den Waffendeal mit den kolumbianischen Kunden.
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