Waffenschmiede muss blechen

Sig Sauer soll illegale Erlöse an den Staat abgeben. Bundesgerichtshof bestätigt Einziehung von 11,1 Millionen Euro

  • Dieter Hanisch
  • Lesedauer: 5 Min.

Der 3. Strafsenat des Bundesgerichtshofes (BGH) hat am Donnerstag geurteilt, dass aus den illegalen Pistolengeschäften des Waffenherstellers Sig Sauer mit der Nationalpolizei Kolumbiens Erlöse in Millionenhöhe eingezogen werden. Der BGH musste tätig werden, weil im Namen von drei Gesellschaften des Waffenproduzenten gegen die vor zwei Jahren vom Landgericht Kiel angeordnete Gewinnabschöpfung aus dem unrechtmäßigen Waffendeal Revision eingelegt wurde.

Die Karlsruher Richter stützten damit die Rechtsprechung aus Kiel bezüglich der in den USA ansässigen Sig Sauer Incorporated und der Sig Sauer Beteiligungs GmbH. Zurückverwiesen an eine andere Wirtschaftsstrafkammer des Kieler Landgerichts hat der BGH allerdings die erneute prozessuale Betrachtung der Einbindung der Sig Sauer GmbH & Co. KG. Da müsse nach Karlsruher Auffassung noch einmal die Frage der Rolle des ausgegliederten Vermögens in Bezug auf das illegale Kolumbien-Geschäft aufgearbeitet werden. An der Einziehung von insgesamt 11,1 Millionen Euro aus dem Sig-Sauer-Vermögen ändert diese Teilrückverweisung ans LG Kiel aber nichts.

Bei dem Exportgeschäft von 47 000 Pistolen des Typs SP 2022 vom Standort Eckernförde in die USA verschleierte Sig Sauer zwischen 2009 und 2011 die Weiterleitung von 38 000 dieser Kleinwaffen ins damalige Kriegsland Kolumbien, für die keine außenwirtschaftliche Zulassung eingeholt worden war. Dafür verhängte das LG Kiel vor zwei Jahren gegen drei frühere Verantwortliche aus dem Waffenkonzern rechtskräftige Bewährungsstrafen zwischen zehn und 18 Monaten sowie Geldstrafen.

Importierte Pistolen töten Minderjährige
Kolumbien wird von einer Gewaltwelle erschüttert, bei der Millionen illegal zirkulierende Waffen aus dem Ausland eine wichtige Rolle spielen

Der Bundesgerichtshof hatte zu beurteilen, ob Sig Sauer den gesamten mit den Pistolen erwirtschafteten Umsatz oder nur den Gewinn abführen muss. Höchstrichterlich wurde nun festgehalten, dass es strafrechtlich kein Schonvermögen für illegale Geschäfte gibt. Verhandelt wurde am BGH bereits Anfang Mai.

Flankiert wurde die Verkündung der Entscheidung am Donnerstag mit thematisch passendem Straßentheater in Karlsruhe, an dem sich für die Friedensbewegung unter anderem auch die Aktivisten der Kampagne »Aktion Aufschrei - Stoppt den Waffenhandel« beteiligten. Letztere haben mit einer Strafanzeige durch Jürgen Grässlin gegen Sig Sauer ein juristisches Vorgehen gegen die illegalen Machenschaften der Waffenschmiede überhaupt erst ins Rollen gebracht. Sig Sauer hat am Donnerstag zur Urteilsverkündung überhaupt keinen Rechtsvertreter mehr nach Karlsruhe entsandt.

Christine Hoffmann von Pax Christi sieht sich mit der Entscheidung aus Karlsruhe bestätigt. Aus ihrer Sicht sind hohe finanzielle Geldstrafen die einzige Sprache, »die die Waffenhersteller verstehen«. Sie forderte endlich die Einrichtung eines strikten Rüstungsexportkontrollgesetzes und ein Verbandsklagerecht, um Verstöße gegen Ausfuhrgenehmigungen schärfer und schneller zu sanktionieren.

Grässlin zeigte sich ebenfalls hocherfreut über die BGH-Entscheidung: »Das ist ein Riesenerfolg gegen die Waffenindustrie und die nunmehr höchste jemals bei einem Kleinwaffenhersteller hierzulande verhängte Abschöpfung.« Nach Heckler & Koch sei Sig Sauer der zweite deutsche Kleinwaffenhersteller, der innerhalb weniger Monate vom Bundesgerichtshof zu Millionenzahlungen verurteilt wird. »Das ist ein Meilenstein auf dem Weg dahin, die Händler des Todes Made in Germany finanziell zur Verantwortung zu ziehen«, so Grässlin.

Nach Angaben der Menschenrechts- und Kinderhilfsorganisation Terre des hommes in Osnabrück werden Sig-Sauer-Waffen in Kolumbien von Drogenbanden, Paramilitärs und Guerillagruppen bei Verbrechen eingesetzt. Zudem würden sie bei Menschenrechtsverletzungen durch Polizei und Militär verwendet.

Ungemach könnte Sig Sauer noch für weitere Waffengeschäfte drohen. Im April 2020 hat Grässlin erneut Strafanzeige gestellt. Nach Angaben des Friedensaktivisten liegen Listen vor, aus denen weitere illegale Waffenlieferungen nach Kolumbien, Mexiko und Nicaragua hervorgehen. Die Staatsanwaltschaft Kiel ermittelt seitdem wieder und hat bereits mit dem Bundesamt für Wirtschaft und Ausfuhrkontrolle in Eschborn Kontakt aufgenommen. Je nach Ergebnis der juristischen Prüfung würde eventuell auch die Bewährung der drei 2019 vom LG Kiel verurteilten ehemaligen Sig-Sauer-Manager ins Wanken geraten.

Sig Sauer mit seiner Produktionsstätte in Eckernförde ist unterdessen Geschichte. Vor einem Jahr verkündete der Waffenproduzent die Einstellung des Betriebs in der deutschen Niederlassung mit Jahreswende 2020/21. Zuletzt standen dort noch 130 Beschäftigte auf der Gehaltsliste. Schlechte Geschäftszahlen für das Werk an der Ostsee resultierend aus weniger Aufträgen und der Pandemie waren wohl die ausschlaggebenden Gründe, weshalb die seit dem Jahr 2000 die Sig Sauer steuernde L&O-Holding (Emsdetten) den Daumen für Eckernförde gesenkt hatte. Zugleich wurden aber Meldungen dementiert, wonach das Unternehmen in finanziellen Nöten stecke.

Unmittelbar nach Verkünden des Eckernförde-Exodus reagierten auch Polizei, Staatsanwaltschaft und Zoll auf Anordnung des LG Kiel. Sie wollten Vermögenswerte in Höhe von 7,4 Millionen Euro in Sicherheit bringen und haben Produktionsmaschinen mit einem Pfandsiegel versehen, um zu verhindern, dass der Maschinenpark womöglich bei Nacht und Nebel aus den Werkhallen verschwindet. Hintergrund für dieses Vorgehen war die vom LG Kiel verordnete Gewinnabschöpfung, die nun auch der BGH zementiert hat.

Für die drei Hektar große Liegenschaft und die 12 000 Quadratmeter umfassenden Werkhallen in Eckernförde wird nun ein Nachfolger gesucht. Interessiert ist man dem Vernehmen nach an einer Vermietung, jedoch nicht an einem Verkauf. Seit Längerem gilt dabei die Bundeswehr als ein potenzieller Interessent für die Nutzung als Lagerimmobilie. Dies wurde durch das Bundesamt für Infrastruktur, Umweltschutz und Dienstleistungen der Bundeswehr inzwischen bestätigt. Was aus den drei unterirdischen Schießständen wird, ist aber noch nicht geklärt.

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