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Katz-und-Maus-Party in der Hasenheide
Erst im August soll es offizielle Freiflächen für Partys geben - solange warten Feierwütige nicht
Lichterketten strahlen, aus den Lautsprechern quellen fette Beats: In einer lauen Samstagnacht im Juli kurz vor Mitternacht ist es nicht schwer, auf den Liegewiesen des Volksparks Hasenheide an der Grenze von Kreuzberg und Neukölln die Orte zu finden, wo die Musik spielt. In Grüppchen haben sich Menschen im Zentrum des rund 50 Hektar großen Parks zusammengefunden. Bei der schummrigen Beleuchtung ist es schwer zu sagen, wie viele es auf der Wiese insgesamt sind - vielleicht etwa 1000. Vielleicht mehr. Einige Nachtschwärmer haben Picknickdecken mitgebracht und unterhalten sich, andere tanzen mit Bierflaschen in der Hand.
Auf einer kleinen Anhöhe geht gerade die Post ab - etwa 30 junge Menschen tanzen zu hartem Techno. »Wir feiern eine Geburtstagsparty«, sagt ein junger Mann Anfang 20, der sich Valentino de Oliveira nennt. Er hofft, dass er und seine Freunde noch ein Weilchen weitermachen können. »Vor einer halben Stunde waren wir auf einer anderen Wiese, mehr Richtung Columbiadamm«, sagt er und wippt dabei mit dem Oberkörper zur Musik. »Da kam die Polizei mit Taschenlampe und meinte, wir sollten die Musik ausmachen und gehen.«
Da die Stimmung aber gerade »Bombe« war, hatte die Geburtstagsgesellschaft keine Lust, die Heimreise anzutreten. Für Valentino eine normale Wochenendnacht. »So geht das hier ständig, die Polizei kommt auf die Gruppen zu und verscheucht sie von einer Stelle zur nächsten«, sagt der junge Mann, der schon öfter in der Hasenheide gefeiert hat - seit die Corona-Pandemie im März des vergangenen Jahres die Berliner Clubs zur Schließung zwang. »Es ist ein Katz-und-Maus- Spiel.« Die Fete sei erst vorbei, wenn die Beamten die Boxen konfiszierten. Doch selbst dann müsse man nicht nach Hause gehen, sagt der Technofan. »Die Leute sind cool drauf, man kann sich einfach anschließen.« In der Menge sei die Stimmung ohnehin besser. Und Corona? »Ich weiß, die Pandemie ist noch nicht vorbei«, sagt Valentino. »Aber jetzt mal ehrlich, die Inzidenz ist super niedrig, draußen besteht kaum Ansteckungsgefahr und nach der langen Zeit im Lockdown habe ich Bock, rauszugehen und Spaß mit Freunden zu haben.«
Dieser Ansicht sind in dieser Sommernacht sicherlich viele der Menschen, die in die Hasenheide gekommen sind. Auch die Jugendlichen und jungen Erwachsenen, die sich zur Stunde parallel in anderen Berliner Parks treffen, würden Valentinos Aussagen wohl unterschreiben. Denn seit das Wetter mitspielt, haben die Menschen die öffentlichen Grünanlagen als ihre nächtlichen Treff- und Ausgehorte erobert. Das war schon im vergangenen Pandemiejahr so. Auch die Probleme - Lärmbelästigung, Vermüllung, Verstöße gegen die Corona-Schutzmaßnahmen und gewalttätige Attacken auf Polizist*innen, die diese durchsetzen - sind nicht neu.
Die politische Debatte, was gegen den Party-Wildwuchs im Grünen getan werden kann, läuft seit geraumer Zeit. Falcko Liecke (CDU) ist Neuköllns Jugendstadtrat. Er weist seit Mai 2020, als die ersten illegalen Partys in der Hasenheide bekannt wurden, auf die Probleme hin. »Neben der bei solchen Veranstaltungen grundsätzlich bestehenden Infektionsgefahr haben solche Veranstaltungen auch immer erhebliche Auswirkungen auf die Parks«, sagt Liecke. »Zerstörte Pflanzen, Müll und Verunreinigung so weit das Auge reicht.« Damals wie heute hält der Politiker das Verhalten der Partywütigen für unsozial und egoistisch. »Natürlich verstehe ich den Wunsch junger und jung gebliebener Menschen, zusammen zu feiern«, sagt Liecke. Darauf hätten sie auch ein Recht, das von der Politik ernst genommen werden müsse. Die Lösung könnten aber keine illegalen Spontanfeten sein, »sondern geordnete Veranstaltungen mit Hygienekonzept, ausreichend Toiletten und Sicherheit«. Seit Monaten macht sich der Jugendstadtrat beim Senat dafür stark, freie Flächen wie etwa auf dem Tempelhofer Feld als Partyzonen mit Clubkonzepten auszuschreiben. »Passiert ist nichts. Und heute stehen wir ganz überraschend wieder vor dem gleichen Problem«, schimpft er.
Benjamin Jendro, Sprecher der Berliner Gewerkschaft der Polizei, sieht das ähnlich. »Ich erwarte vom Senat, Lösungen für Freiflächen zu finden, um die illegalen Partys einzudämmen.« Auch er hat Verständnis für den Feierdrang. »Die haben stark unter der Pandemie gelitten«, findet Jendro. Für Angriffe auf Beamte wie zuletzt Freitagnacht im Weinbergspark in Mitte, die die geltende Corona-Verordnung durchsetzen, gegen Ruhestörungen vorgehen und Straftaten ahnden müssen, gebe es aber keinerlei Legitimation. »Das Problem ist nicht mit pauschalen Lösungen zu beheben«, sagt Jendro. Zusätzlich zu legalen Partyflächen brauche es Konzepte für die Parks, damit Menschenansammlungen dort nicht eskalieren. Für die große Hasenheide sei ein Zaun zum Beispiel Unsinn, Glasflaschenverbote, Zugangskontrollen und Security aber wären Möglichkeiten.
Von solchen Maßnahmen halten die betroffenen Bezirke wenig - sie verweisen auf den Senat. Der hat die Initiative »Draußenstadt« ins Leben gerufen, die Freiflächen für kulturelle Outdoorevents sichern soll. Doch geht es dabei weder speziell um Partys, noch werden die von den Bezirken ausgewiesenen dreizehn Flächen ausreichen. Starten soll das Programm zudem erst im August.
Regina Kittler, Sprecherin für Kultur der Linksfraktion im Abgeordnetenhaus, findet die Untätigkeit der Bezirke skandalös. »Viele Bezirke wie Neukölln haben keine einzige Freifläche für Open-Air-Events ausgewiesen«, kritisiert Kittler. Dabei gebe es auch in einem dicht besiedelten Bezirk Möglichkeiten, etwa auf Parkplätzen oder Brachen. Viele Clubs, die selbst keine Außenflächen haben und deswegen weiterhin geschlossen sind, wollten draußen Programm anbieten.
»Die Nachfrage ist riesig und mit Freiflächen könnten die Clubs mit sicheren Partykonzepten aktiviert werden«, sagt die Linkenpolitikerin. Die jungen Feiernden in den Parks verstehe sie gut. »Die Jugendlichen haben in der Pandemie viele Entbehrungen hinnehmen müssen, sie wollen bei den aktuell niedrigen Inzidenzen zu Recht ihr Leben zurück.« Die Politik müsse jetzt schnell handeln und Angebote schaffen. Das sehen Partyfan Valentino und seine Freunde in der Hasenheide mit Sicherheit genauso.
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