Kurs auf den Elysée-Palast

Le Pen als Vorsitzende des rechtsradikalen Rassemblement National bestätigt

  • Ralf Klingsieck, Paris
  • Lesedauer: 3 Min.

Nach der schweren Niederlage bei der Regionalwahl vor zwei Wochen hat das rechtsextreme Rassemblement National (RN) am Wochenende auf seinem Jahreskongress versucht, wieder aus der Talsohle herauszukommen und alle Kräfte für die Präsidentschaftskandidatur 2022 der Vorsitzenden Marine Le Pen zu sammeln. Diese wurde, wie es während der Veranstaltung hieß, bei einer internen Abstimmung mit 98 Prozent der abgegebenen Stimmen für eine vierte Amtszeit wiedergewählt.

Gleichzeitig haben die Mitglieder entschieden, dass Le Pen während der Vorbereitung und der heißen Phase des zwischen Januar und April 2022 laufenden Präsidentschaftswahlkampfes durch den 25-jährigen Vizevorsitzenden Jordan Bardella vertreten wird. Dieser soll das Amt auch im Falle der von der RN erhofften Wahl Le Pens zur ersten Präsidentin des Landes übernehmen.

Die wiedergewählte RN-Vorsitzende bedauerte in ihrer Rede vor den Delegierten, dass es bisher nicht gelungen sei, die Führung einer der 13 Regionen oder eines der 101 Departements des Landes zu erringen, um so zu demonstrieren, dass ihre Partei zum Regieren imstande ist. Jedoch beweise schon der Parteitagsort Perpignan, die einzige Großstadt, die bei der Kommunalwahl 2020 einen FN-Bürgermeister gewählt hat, die Führungskompetenzen der Partei. Bürgermeister Louis Aliot ist denn auch eine Schlüsselfigur bei der Mobilisierung aller potenziellen FN-Anhänger für die Präsidentschaftswahl. Er gehört seit mehr als 20 Jahren erst der Front National und dann dem daraus hervorgegangenen Rassemblement National an und hat als einer ihrer führenden Politiker ein landesweites und alle Ebenen umfassendes Netzwerk geknüpft.

Von der rekordhohen Stimmenthaltung bei der jüngsten Regionalwahl war die Partei überproportional betroffen und hat dabei auf der Ebene der Departements und Regionen jedes dritte bisherige RN-Ratsmitglied verloren. Viele der traditionellen Anhänger hatten die Bedeutung dieses Urnengangs unterschätzt, ergaben Umfragen. Doch nicht wenige wollten mit dem Verzicht auf die eigene Stimmabgabe auch ihre Unzufriedenheit über die politische Linie der Bewegung zum Ausdruck bringen.

Das Problem für die RN-Führung ist, dass sich das Kritikerlager in zwei gegensätzliche Strömungen teilt. Die einen sind verärgert, dass fast ausschließlich die hohen Einwanderungszahlen und die sich daraus angeblich ergebende Unsicherheit angeprangert sowie ein entschlossenes Umsteuern nach dem Sieg in Aussicht gestellt wird. Dieser politische Ansatz unterschätze die schwierige soziale Lage vieler Franzosen, stelle keine alternative Wirtschafts- und Sozialpolitik in Aussicht und überlasse diese Themen ausschließlich der Linken.

Die andere Gruppe der Kritiker befürchtet, dass die Bewegung durch Marine Le Pens Strategie der Entdämonisierung mehr und mehr an Biss verliert und zu einer gewöhnlichen rechten Partei zu werden droht. Sie werfen ihr beispielsweise vor, den einst angekündigten Ausstieg aus dem Euro und der Schengen-Zone sowie aus dem EU-Gerichtshof für Menschenrechte aufgegeben zu haben, um ihre Aussichten für den Einzug in den Elysée-Palast zu verbessern. Nicht wenige Stimmen von Kritikern könnten Marine Le Pen 2022 fehlen, weil die von sozialen Themen angetriebenen Wähler zwar nicht massiv zu den Linken abwandern, aber der Abstimmung fernbleiben könnten. Währendessen drohen die Radikalen für Politiker zu stimmen, die sich noch weiter rechts vom RN positionieren. Ein solcher Herausforderer ist der provokant-polemische Journalist und Buchautor Eric Zemmour, der so massiv gegen die illegale Einwanderung und gegen die islamische »Überfremdungs-Gefahr« trommelt wie einst der Front-National-Mitbegründer und langjährige Parteichef Jean-Marie Le Pen. Der ist inzwischen 93 Jahre alt und grollt auf seinem Alterssitz seiner Tochter und Nachfolgerin Marine. Sie führe die inzwischen in RN umbenannte Bewegung in die Bedeutungslosigkeit.

Vor den am Wochenende vom Kongress gewählten 100 Mitgliedern des Nationalrates steht nun die überaus schwierige Aufgabe, für den Präsidentschaftswahlkampf ein Programm auszuarbeiten, das so breit gefächert ist, dass es möglichst viele Mitglieder und Sympathisanten der Bewegung anspricht und überzeugt.

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