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Reichlich Untersuchungsbedarf in Hessen

Das Bundesland hat ein Problem mit rechtsradikalen Strukturen und Terror. Der Aufklärungswille in der Regierung ist aber gering

  • Daniel Lücking
  • Lesedauer: 4 Min.

Schon der Blick auf die letzten Monate zeigt, dass es im Land Hessen viel Handlungsbedarf in Sachen Polizei gibt. Nach der brutalen Räumung der Baumhausdörfer im Dannenröder Forst Ende 2020 stand die Polizei für ihr Verhalten in der Kritik. Während die regierenden Christdemokraten und Grünen mit dem Einsatz zufrieden zu sein schienen, kritisierte unter anderem die hessische Linkspartei die vielfach angewendete unverhältnismäßige Gewalt, mit der gegen die Baumhausbewohner*innen vorgegangen wurde.

Doch damit nicht genug. Rechtsradikale Bezugspunkte sind spätestens nach der Auflösung des Frankfurter Sondereinsatzkommandos überdeutlich, zu dem auch 13 der nach dem Anschlag in Hanau eingesetzten Polizisten gehörten. Beamte des SEK hatten Beiträge mit volksverhetzenden Inhalten geteilt. Auch Abbildungen einer ehemaligen nationalsozialistischen Organisation waren in der Chatgruppe zu sehen. Vorgesetzte Polizisten schritten nicht ein. Mindestens drei von ihnen waren Teil der Chatgruppe. Der hessische Innenminister Peter Beuth (CDU) betonte anlässlich der Auflösung des SEK kürzlich, es werde einen »fundamentalen Neustart« geben. Ob dieser Neustart nur das SEK betreffen oder bis in Beuths eigenes Ministerium reichen wird, in dem Mitarbeiter ebenso an der Chatgruppe beteiligt waren, wie auch im Landeskriminalamt und an der Polizeiakademie, teilte Beuth nicht mit.

»Wir müssen davon ausgehen, dass es ein rechtes Netzwerk innerhalb der Polizei gibt und das muss endlich Konsequenzen haben«, eröffnete Janine Wissler vor drei Wochen eine von der Linksfraktion im hessischen Landtag beantragte Aktuelle Stunde, in der sie den Rücktritt von Beuth forderte. Dieser rechtfertigte sich in der Aktuellen Stunde. Der CDU-Politiker denkt nicht an Rücktritt. »Ich handle verantwortlich, indem ich auf eine konsequente Ahndung innerhalb der Polizei bestehe«, so Beuth. Die Opposition kritisiert indes, dass sie in der eigens zur Aufklärung gegründeten Expertengruppe nicht mitarbeiten dürfe. Auch die Salamitaktik, mit der Beuth rund um das Frankfurter SEK aufgetreten war, spricht gegen ihn. Zunächst hatte er nur von 20 Beamten - allesamt Männer - gesprochen und musste wenig später einräumen, dass es insgesamt 49 Beamte sind.

Die Opfer von Hanau klagen an
Es gibt Hinweise auf polizeiliches Fehlverhalten nach dem Anschlag. Nun kommt ein Untersuchungsausschuss

Die Annahme eines rechten Netzwerkes ist nicht aus der Luft gegriffen. Rund 150 Verfehlungen mit überwiegend rassistischen und rechtsradikalen Hintergründen zählt die Linkspartei derzeit in der hessischen Polizei.

Dazu gehören nicht zuletzt die Ermittlungen rund um den NSU 2.0, dessen Drohbriefserie nur durch aus Polizeicomputern abgegriffene Daten möglich wurde. Die Affäre brachte eine rechte Chatgruppe mit dem Namen »Itiotentreff« (sic!) ans Tageslicht, in der hessische Polizisten Hitlerbilder, Bilder von KZ-Häftlingen, Bilder von Menschen mit Downsyndrom und Bilder ertrunkener syrischer Kinder teilten und mit menschenverachtenden Kommentaren versahen. Unter den beteiligten Polizisten fanden Ermittler dann zwei einschlägig bekannte Brüder, deren rechte Gesinnung bereits in anderen Zusammenhängen zutage getreten war. Bei ihnen wurden auch Nazi-Devotionalien gefunden, die in einer Scheune untergebracht waren, die treffend als »Nazi-Museum« bezeichnet wurde.

Offene Fragen ranken sich auch um den Mord am Kasseler Regierungspräsidenten Walter Lübcke (CDU), der am 2. Juni 2019 auf der Veranda vor seinem Wohnhaus erschossen wurde. Sein Mörder Stephan E. weist eine Verbindung zum ehemaligen Mitarbeiter des hessischen Verfassungsschutzes, Andreas Temme, auf. Dieser war beim Mord an Halit Yozgat durch die Terroristen des sogenannten Nationalsozialistischen Untergrunds (NSU) in Kassel am 6. April 2006 vor Ort. Aber von dem Mord will er dabei nichts mitbekommen haben.

Die schwarz-grüne Landesregierung unter Führung von Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) hat sich bisher keinen guten Namen bei der Aufarbeitung des rechten Terrors in dem Bundesland gemacht. Die Regierungsparteien hatten sich zunächst gegen einen NSU-Untersuchungsausschuss im Landtag gesträubt. Sie wollten stattdessen eine nicht öffentlich tagende Regierungskommission einsetzen.

Im Mai dieses Jahres scheiterte im Petitionsausschuss des hessischen Landtages ein von 120 000 Menschen mitgezeichnetes Votum. Sie hatten gefordert, dass die derzeit für die Dauer von 30 Jahren gesperrten NSU-Akten aus Polizei und Geheimdienst offen gelegt werden sollten.

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