Ex-Vizekanzler in Wien vor Gericht
Ehemaliger FPÖ-Chef Strache wegen Bestechlichkeit angeklagt
Wien. Rund zwei Jahre nach der »Ibiza-Affäre« hat am Dienstag in Wien der erste Strafprozess gegen Österreichs Ex-Vizekanzler Heinz-Christian Strache begonnen. Der frühere Chef der rechtspopulistischen FPÖ ist wegen Bestechlichkeit angeklagt; er soll gegen eine Parteispende und private Vergünstigungen zugunsten einer Privatklinik Einfluss auf ein Gesetz genommen haben. Klinikbetreiber Walter Grubmüller, muss sich wegen Bestechung verantworten. Beide plädierten auf »nicht schuldig«. Strache drohen bis fünf Jahre Haft. Die Staatsanwaltschaft wirft dem 52-jährigen Rechtspopulisten vor, sich gegen eine Parteispende von 10 000 Euro und eine Urlaubseinladung dafür eingesetzt zu haben, dass Grubmüllers auf Schönheitschirurgie spezialisierte Klinik in einen Fonds aufgenommen wurde, der eine direkte Abrechnung von Leistungen mit den Sozialversicherungen ermöglicht. Er soll zuvor von Grubmüller auf dessen Jacht und zu einem Urlaub in dessen Ferienhaus auf Korfu eingeladen worden sein.
In einem von Ermittlern entdeckten SMS-Austausch fragte Strache den Klinikbetreiber, »welche Gesetzesänderung« er wünsche, damit sein auf Schönheitschirurgie spezialisiertes Etablissement »endlich fair behandelt« werde. Daraufhin kündigte der Klinikbetreiber an, der FPÖ-Zentrale einen Textentwurf vorzulegen.
Zu dem Zeitpunkt verhandelte Strache mit der konservativen ÖVP über ein Regierungsbündnis. In der ab Dezember 2017 regierenden türkis-blauen Koalitionsregierung unter Kanzler Sebastian Kurz (ÖVP) übernahm die FPÖ dann die Leitung des Gesundheitsministeriums. Kurz darauf wurde die Gesetzgebung geändert, sodass die Klinik die Genehmigung der Sozialversicherung erhalten konnte. Nach Expertenschätzungen hatte sie damit Anspruch auf öffentliche Mittel in Höhe von 2,2 Millionen Euro pro Jahr.
Oberstaatsanwältin Silvia Thaller sprach im Eröffnungsplädoyer von einer »schwerwiegenden Straftat«. Keineswegs handle es sich um eine »zu vernachlässigende Form von Freunderlwirtschaft«. Strache sei es »um geldwerte Vorteile für sich, seine Ehefrau und die Partei« gegangen. Sie warf Strache vor, damit »die vom Strafrecht gezogenen Grenzen überschritten« zu haben.
Es ist das erste Strafverfahren gegen Strache infolge der Ibiza-Affäre. Der Skandal hatte im Mai 2019 ein politisches Erdbeben in Österreich ausgelöst, zum Bruch der türkis-blauen Koalition sowie vorgezogenen Neuwahlen geführt. Hintergrund war ein heimlich auf Ibiza gedrehtes Video, das zeigt, wie Strache vor der Parlamentswahl 2017 einer vermeintlichen russischen Oligarchen-Nichte im Gegenzug für Wahlkampfhilfe Staatsaufträge in Aussicht stellte. Straches Handy wurde beschlagnahmt. Aus seinem SMS-Verlauf ging dann hervor, dass er sich für die Aufnahme der Klinik in den Fonds eingesetzt hatte.AFP/nd Kommentar Seite 10
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