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Grünes Licht für Löfven
Sozialdemokrat kann in Schweden erneut eine Minderheitsregierung mit der Umweltpartei bilden
Am Freitag will Stefan Löfven in Stockholm sein neues Kabinett vorstellen. Die grüne Umweltpartei wird erneut als kleinerer Koalitionspartner an der Regierung des Sozialdemokraten beteiligt sein. Stützte sich Rot-Grün nach dem 2019er Januarabkommen auf das bürgerliche Zentrum und Die Liberalen, muss es sich Mehrheiten nun auf noch schmalerer Basis suchen. Zumal die linke Vänsterpartiet die Tolerierung von Löfven ohne Gegenleistungen mit einem großen Knall aufgekündigt hat.
Die Abstimmung am Mittwoch über den Staatsminister, wie der Premier in Schweden genannt wird, war angesichts der Sitzverteilung im Reichstag seit der Wahl 2018 eine spannende Angelegenheit. Sie setzte den vorläufigen Schlusspunkt unter drei Wochen, in denen Schweden von der Regierungskrise in Atem gehalten wurde. Neun Tage zuvor hatte Löfven seinen Rücktritt erklärt, als Konsequenz aus der verlorenen Vertrauensabstimmung im Parlament vom 21. Juni. Dabei gab die Linkspartei mit ihren Stimmen gegen Löfven den Ausschlag: Sie hatte gegen Pläne der Regierung protestiert, eine nach dem Januarabkommen vorgesehene Mietpreisliberalisierung für Neubauten umzusetzen.
Nun bleibt der Sozialdemokrat auch dank Vänsterpartiet und einer fraktionslosen Sozialistin weiter am Ruder. Eine außerordentliche Reichstagswahl noch vor der regulären im September 2022 wird damit vermieden. Vor Löfven hatte Ulf Kristersson von der konservativen Moderaten Sammlungspartei als größter Oppositionskraft von Parlamentspräsident Andreas Norlén den ersten Zugriff auf eine Kandidatur zum Staatsminister erhalten. Da er nicht auf die dafür im Reichstag nötigen Stimmen zählen konnte, hatte Kristersson den Auftrag zügig zurückgegeben.
Bei der Abstimmung am Mittwochnachmittag kam keine Mehrheit der Abgeordnetenstimmen gegen Löfven zustande: 173 Mitglieder des schwedischen Reichstags drückten dabei auf den roten Knopf für Nein, 116 Abgeordnete auf den grünen für ihn - und 60 entschieden sich für Gelb und damit für Stimmenthaltung. Neben den Moderaten stimmten auch die Christdemokraten, die rechtsextremen Schwedendemokraten und die Liberalen geschlossen gegen den alten und neuen Staatsminister.
Eine Abgeordnete der Liberalen hat den Seitenwechsel ihrer Fraktion in das Lager der Löfven-Gegner indes nicht mitgemacht. Liberale haben sich nun dem Block angeschlossen, der mithilfe der Schwedendemokraten, seit 2018 drittstärkste Kraft, spätestens im kommenden Jahr in Stockholm einen Machtwechsel herbeiführen will. Die langjährige Abgeordnete Nina Lundström aus der städtischen Gemeinde Sundbyberg im Großraum Stockholm begründete ihre Entscheidung, sich zugunsten von Löfven der Stimme zu enthalten, mit dem Wahlversprechen der Liberalen von 2018, mit SD weder zusammenzuarbeiten noch zu regieren. Lundström beschreibt sich selbst als umweltbewegte Feministin.
Im Mittelpunkt des Krimis um die Löfven-Neuwahl stand zuvor als Zünglein an der Waage die fraktionslose Abgeordnete Amineh Kakabaveh. Erst am Vorabend der Abstimmung hatte die Politikerin iranisch-kurdischer Abstammung erklärt, dass sie sich der Stimme enthalten werde. Kakabaveh engagiert sich stark gegen Islamismus und Verbrechen »im Namen der Ehre« in traditionellen Milieus sowie für eine konsequente Trennung von Kirche und Staat. Acht Forderungen, die auf soziale Verbesserungen und gegen religiöse Freischulen zielen, hatte sie Löfvens Sozialdemokraten vor der Abstimmung gestellt. Ihre Gespräche mit deren Vertretern seien konstruktiv verlaufen, auch wenn sie nicht alle Forderungen durchsetzen konnte, berichtete die »unabhängige Sozialistin« am Mittwoch vor dem Parlament. Sie nutzte die Gelegenheit auch noch zu einer kleinen Abrechnung mit der Linkspartei, die sie 2019 im Streit verlassen hatte.
Die von ihr nach einem Ultimatum wegen des Mietendeckels ausgelöste Regierungskrise hat die Position der Vänsterpartiet gestärkt, ihr einen Zustrom neuer Mitglieder beschert, und in den Wahlumfragen liegt sie nun bei über elf Prozent. Bei der zurückliegenden Wahl 2018 hatte sie acht Prozent erreicht. Linke-Vorsitzende Nooshi Dadgostar betonte, dass der Einsatz ihrer Partei den Interessen von drei Millionen Mietern im Land genutzt habe. Gleichzeitig machte sie deutlich, dass die Stimmen ihrer Fraktion auch künftig nicht zum Nulltarif zu haben seien.
Vänster und die Zentrumspartei, wirtschaftsliberal und sich klar vom rechten Rand abgrenzend, sind nun faktisch die Stützparteien von Rot-Grün. Dabei will das Zentrum von Annie Lööf auf gar keinen Fall mit Vänster gemeinsame Sache machen und lehnt es ab, dass die Linken in Haushaltsfragen mitzureden haben. Entsprechend wird es für die Regierung schwierig, im Herbst einen Etat durch den Reichstag zu bringen. Justizminister Morgan Johansson von den Sozialdemokraten zeigt sich zuversichtlich, dass es der Regierung dank Schwedens starker Ökonomie gelingt, einen den Wünschen der beiden so gegensätzlichen Parteien entgegenkommenden Etat aufzustellen.
Für Rechtsaußen-Chef Jimmie Åkesson muss das Land nun eine »historisch schwache und schlechte« und »in allem gescheiterte« Regierung noch ein Jahr länger ertragen, wie er in seiner mit sozialer Demagogie gespickten Rede beklagte. Die Grünen-Politikerin Karolina Skog hingegen spricht von einer »Allianz des Anstands« von vier Parteien gegen Rechtsnationalisten, die gegen Menschenrechte, Gleichheit und Demokratie mobilmachten.
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