- Politik
- Landtagswahl in Mecklenburg-Vorpommern
Der Nordosten wird wohl bunter
Im Herbst könnten erstmals sechs Parteien in den Landtag in Schwerin einziehen
Mecklenburg-Vorpommern steht für Meer und Seen, dünn besiedeltes weites Land, der Deutschen liebstes Urlaubsziel - und politisch unter anderem für SPD-geführte Landesregierungen. Seit 1998 führen die Sozialdemokraten die Landesregierung. Aktuell ist Manuela Schwesig Ministerpräsidentin in einer rot-schwarze Koalition in Schwerin, und nach der Landtagswahl im Herbst strebt sie erneut den Posten der Regierungschefin an.
»Ich möchte weiter Ministerpräsidentin bleiben«, erklärte Schwesig unlängst auf dem Parteitag der Nordost-Sozialdemokraten, die die 47-Jährige mit 96,4 Prozent der Stimmen zur Spitzenkandidatin kürten. Zum ersten Mal übrigens, denn einer Wahl musste sie sich bisher nicht stellen. Im Jahr 2017 hatte sie in der laufenden Legislaturperiode die Nachfolge - auch als SPD-Landeschefin - des schwer an Krebs erkrankten Erwin Sellering angetreten und dafür ihren Posten als Bundesfamilienministerin aufgegeben. Wie ihr Vorgänger erfreut sich Schwesig großer Beliebtheit im Land, auch wenn die Zustimmungswerte zuletzt einen deutlichen Dämpfer bekommen haben. So sind laut einer Umfrage von Infratest dimap im Auftrag von NDR, »SVZ« und »Ostsee-Zeitung« von Ende Mai nur noch 57 Prozent der Befragten mit der Ministerpräsidentin zufrieden oder sehr zufrieden. Im November letzten Jahres hatte dieser Wert noch bei 75 Prozent gelegen. Doch selbst mit dem nun erreichten eher mäßigen Wert ist Schwesig die beliebteste Spitzenpolitikerin im Nordosten.
Mit weitem Abstand auf Platz zwei landete mit 22 Prozent in dieser Kategorie: Simone Oldenburg, Fraktionschefin der Linkspartei im Landtag in Schwerin und Spitzenkandidatin ihrer Partei. Erst auf Platz drei - wiederum mit ziemlichem Abstand - folgt mit 15 Prozent der CDU-Spitzenmann Michael Sack. Michael wer? Diese Frage stellt sich vermutlich einem Großteil der Menschen außerhalb Mecklenburg-Vorpommerns und auch im Nordosten ist der Landrat des Landkreises Vorpommern-Greifswald nicht einmal der Hälfte der Wahlberechtigten bekannt. Schwesig hingegen kennen 95 Prozent, Oldenburg immerhin 38 Prozent.
Zufrieden- und Bekanntheit schön und gut. Auf die Chancen, nach der Wahl tatsächlich in die Staatskanzlei einzuziehen, geben sie allenfalls einen kaum belastbaren Hinweis. Da bekanntlich die Regierungschef*innen nicht per Direktwahl bestimmt werden, sind einzig die Wahlergebnisse der Parteien entscheidend. Und da gestaltet sich das Rennen zwischen SPD und CDU wohl wesentlich offener, was auf einen engagierten und spannenden Wahlkampf hoffen lässt.
Mit 23 Prozent lagen Schwesigs Sozialdemokraten in der abgefragten Gunst der Wahlberechtigten nur zwei Punkte vor der CDU, so dass Sacks Ansage »Wir wollen zurück in die Staatskanzlei« durchaus im Bereich des Möglichen liegt. Zum Ansporn verweist etwa Armin Laschet, Vorsitzender von Bundes- wie NRW-CDU, auf seinen eigenen Weg ins nordrhein-westfälische Ministerpräsidentenamt: »Jetzt sagen manche, wir haben doch gar keine Chance, die Ministerpräsidentin ist doch so bekannt und so populär. Ja, das habe ich auch erlebt. Mir hat man auch in Nordrhein-Westfalen gesagt, du hast gar keine Chance, Hannelore Kraft ist die beliebteste deutsche Politikerin, du kannst gar nicht gewinnen.« Und tatsächlich scheint sich die Nordost-SPD, die in der Vergangenheit ja zuverlässig Wahlergebnisse eingefahren hat, die sie befähigten den/die Regierungschef*in zu stellen, dieses Mal nicht dem Sog des Niedergangs der deutschen Sozialdemokratie entziehen zu können. Zumal am 26. September neben dem Landtagswahl- auch der Bundestagswahlstimmzettel ausgefüllt sein will. Und wer hier schon nicht gewillt ist, sein Kreuz bei der Bundes-SPD zu machen, tut es womöglich in der Folge auch nicht bei den Nordost-Sozialdemokraten.
Keinen Grund für großes Eigenlob
Mecklenburg-Vorpommern Die Linksfraktion sieht die Einschätzung von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig mit kritischen Augen
Die prognostizierten 23 Prozent, das wären knapp acht Prozent weniger als bei der letzten Landtagswahl im Jahr 2016. Aber immerhin noch deutlich mehr als die etwa 15 Prozent, die der Partei im Augenblick im Bund vorausgesagt werden.
Ebenso spannend wie bei der Wahl selbst könnte es anschließend bei der Frage der Regierungsbildung werden. Denn anders als im derzeitigen Landtag ist es laut der genannten Umfrage gut möglich, dass in der nächsten Legislaturperiode nicht nur vier, sondern zum ersten Mal überhaupt sechs Parteien im Parlament vertreten sein werden. Neben SPD, CDU, AfD und Linke, die mit an Sicherheit grenzender Wahrscheinlichkeit wieder in den Landtag einziehen werden, haben nämlich auch Grüne und FDP Chancen, in den Schweriner Landtag zurückzukehren.
Wobei die Liberalen mit ihren prophezeiten sechs Prozent nach zwei Legislaturperioden Parlamentsabstinenz erneut um den Einzug kämpfen müssen. Wesentlich besser sieht es mit 14 Prozent für die Grünen aus. Die mit einem solchen Ergebnis nicht nur das für die Grünen-Ko-Spitzenkandidatin Anne Shepley (16 Prozent der Wahlberechtigten bekannt) wichtigste Ziel, »wieder in den Landtag zurückzukehren«, spielend meistern würden, sondern nach fünf Jahren Abwesenheit sogar die Linke überflügeln könnte, die bei elf Prozent stand.
Ob der guten Wahlaussichten scheut sich Shepley auch nicht, das Wort Regierungsverantwortung auszusprechen. Nach derzeitigem Stand ist dies eine durchaus realistische Option, denn eine Fortsetzung von Rot-Schwarz oder eine Neuauflage von Schwarz-Rot wie von 1994 bis 1998 ist im Augenblick rechnerisch - wie jede andere Zweierkoalition - nicht möglich. Es bräuchte also eine Koalition dreier Parteien, zum Beispiel zwischen SPD, Grünen und Linkspartei. Auch letztere will wieder mitregieren im Nordosten. Will, wie es Oldenburg formuliert, »ein Mecklenburg-Vorpommern, das mit uns gerechter, liebenswerter und lebenswerter wird«.
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