Keinen Grund für großes Eigenlob

Mecklenburg-Vorpommern Die Linksfraktion sieht die Einschätzung von Ministerpräsidentin Manuela Schwesig mit kritischen Augen

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Die Corona-Krise trübt die Bilanz der Schweriner SPD/CDU-Koalition für die zu Ende gehende Wahlperiode. Mit einem Bruttoinlandsprodukt von 46,6 Milliarden Euro und gut 34 Millionen Gästeübernachtungen habe Mecklenburg-Vorpommern im Jahr 2019 die bislang besten Ergebnisse in seiner Geschichte erzielt, sagte Ministerpräsidentin Manuela Schwesig (SPD) auf der Bilanzpressekonferenz der Landesregierung in Schwerin. Dann habe die Pandemie das Land erreicht und es habe schlimme Vorstellungen von Wirtschaftseinbrüchen und neuerlicher Massenarbeitslosigkeit wie nach der Wende gegeben. Das habe verhindert werden können. »Corona hat die sehr gute Entwicklung gebremst, aber Corona hat sie zum Glück nicht vernichtet«, betonte Schwesig.

Wichtigstes Ziel der zurückliegenden 15 Monate sei es gewesen, das Land so gut und sicher wie möglich durch die schwere Zeit der Corona-Pandemie zu bringen. Die Koalition habe alles für den gesundheitlichen Schutz der Bevölkerung getan. Mit dem größten Hilfspaket in der Geschichte des Landes im Umfang von 2,85 Milliarden Euro seien die Weichen dafür gestellt worden, dass es wirtschaftlich wieder bergauf gehe.

Auch Wirtschaftsmister Harry Glawe (CDU) als Schwesigs Stellvertreter zeigte sich zuversichtlich, dass die Konjunktur wieder an Fahrt gewinnt, sich weitere Firmen ansiedeln und zusätzliche Jobs entstehen. Die Zahl der sozialversicherungspflichtig Beschäftigten sei von 2016 bis 2019 um 3,3 Prozent 579 000 gestiegen, die Zahl der Arbeitslosen trotz der Corona-Krise heute mit 66 000 niedriger als zu Beginn der Wahlperiode 2016. Laut Glawe stellten Bund und Land bislang mehr als eine Milliarde Euro bereit, um die Wirtschaft in der Corona-Krise zu stützen. »Ich denke, der Erfolg gibt uns recht.«

Als politischen Meilenstein in den vergangenen knapp fünf Jahren führte Schwesig die Abschaffung der Elternbeiträge für die Kitas an. »Der Landesregierung ist es gelungen, in einem gemeinsamen Kraftakt mehr zu machen, als im Koalitionsvertrag verankert«, betonte sie. Im Land könnten 113 000 Kinder beitragsfrei die Kita besuchen. Das sei wichtig, um Chancengleichheit für Kinder von Anfang an herzustellen und die Vereinbarkeit von Beruf und Familie zu verbessern.

Zudem nannte Schwesig das 200 Millionen Euro umfassende Schulpaket, räumte aber ein, dass trotz der Zusatzmillionen an den Schulen noch vieles zu tun sei. Auch das Tempo beim Aufbau schneller Internet- und leistungsfähiger Mobilfunknetze müsse noch höher werden. Als Erfolge wertete die Regierungschefin die Einführung eines Mindestlohns bei der Vergabe öffentlicher Aufträge und auch den Theaterpakt, mit dem die Struktur und die Finanzierung der Theater im Land neu geregelt wurden.

Glawe verwies darauf, dass auf Betreiben der CDU zusätzlich 400 Polizei- und 37 Juristenstellen geschaffen wurden. Mit dem seit 2020 wirksamen neuen Finanzausgleichsgesetz sei die Finanzausstattung der Kommunen nach jahrelangem Streit deutlich erhöht worden und für die bessere Ausrüstung der Freiwilligen Feuerwehren im Land habe es 50 Millionen Euro gegeben.

Nach Einschätzung Glawes hat sich die Zusammenarbeit von SPD und CDU, die in Mecklenburg-Vorpommern schon seit 2006 die Regierungen stellen, auch in den zurückliegenden fünf Jahren bewährt. Er könne sich bei einem entsprechenden Wahlergebnis im September eine Fortsetzung der Koalition vorstellen.

Schwesig bescheinigte der von ihr geführten Regierung »in allen Bereichen im Land viel bewegt« zu haben, hielt sich mit Koalitionsaussagen aber zurück. »Wir haben am 26. September die Bürgerentscheidung. Dann werden wir sehen, wie es weitergeht. Ich möchte dieser Bürgerentscheidung nicht vorgreifen.« Die SPD-Politikerin hatte im Juli 2017 das Amt der Regierungschefin übernommen, nachdem ihr Vorgänger Erwin Sellering (SPD) krankheitsbedingt seinen Rücktritt erklärt hatte.

Nach Ansicht der oppositionellen Linksfraktion, die bereits in der Vorwoche ein kritisches Fazit zur Regierungsarbeit gezogen hatte, gibt es für SPD und CDU keinen Grund für großes Eigenlob. »Richtig ist, dass nicht alles schlecht war, was SPD und CDU angepackt haben. Die kostenlose Kita ist ein Beispiel für das Gute. Allerdings geht diese Kostenfreiheit derzeit zu Lasten der Qualität. Alles in allem war die Regierungspolitik sehr durchwachsen«, meinte Fraktionschefin Simone Oldenburg. Defizite sieht die Linke unter anderem in der Bildungs- und Verkehrspolitik, bei der Förderung tariftreuer Entlohnung oder beim Klimaschutz.

Die nicht im Landtag vertretene FDP listete ebenfalls Mängel in der Bildungspolitik auf. »Die Corona-Krise hat die Lücken in der Regierungsbilanz deutlich aufgezeigt: Die Schulen waren unzureichend digitalisiert, so dass das Homeschooling oftmals an den Eltern hängen blieb und ein großer Teil der Kinder überhaupt nicht am Unterricht teilnehmen konnte«, sagte FDP-Landeschef René Domke. Zudem fehlten an vielen Stellen im Land Glasfaseranschlüsse und Mobilfunkmasten. Domke beklagte auch, dass das Land unter dem Deckmantel von Corona einen großen Schuldenberg aufgehäuft habe. dpa/nd

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