Lebenslang für Folter- und Mordoffiziere

Italien verurteilt endgültig lateinamerikanische Ex-Militärs wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit

  • Wolf H. Wagner, Florenz
  • Lesedauer: 3 Min.

In der »Operación Cóndor« arbeiteten in den 1970er und 80er Jahren Polizei- und Geheimdienste aus sechs südamerikanischen Diktaturen und rechtsorientierten Staaten - Argentinien, Bolivien, Brasilien, Chile, Paraguay und Uruguay - zusammen, um missliebige, meist linke Oppositionelle gezielt über die eigenen Landesgrenzen hinaus zu verfolgen und zu ermorden. Das gemeinsame Vorgehen wurde vom chilenischen Geheimdienstchef des Pinochet-Regimes, Manuel Contreras, angeregt und fand die Unterstützung der USA, speziell der CIA.

Der »Operación Cóndor« selbst werden 200 Morde zugerechnet, wenngleich die Verfolgungen, Verschleppungen und Ermordungen oppositioneller Kräfte in die Zentausende gingen. Allein in Argentinien »verschwanden« mehr als 30 000 Menschen spurlos. Die juristische Aufarbeitung dieses Mordkomplotts begann erst Anfang dieses Jahrhunderts. Diktatoren wie Paraguays Alfredo Stroessner oder Chiles Augusto Pinochet konnten nicht mehr zur Verantwortung gezogen werden, weil sie vor Prozessende starben.

Italienische Opfer zu beklagen

Unter den Ermordeten waren auch 23 italienische Opfer zu beklagen, die in den Jahren zwischen 1973 und 1978 verschwanden und mit hoher Wahrscheinlichkeit ermordet wurden. Hier setzte die juristische Aufarbeitung der hiesigen Justiz an. Am 9. Februar 2015 wurde gegen neun Beschuldigte Anklage wegen Menschenraubs und Mord erhoben, am 17. Januar 2017 acht von ihnen wegen Verbrechen gegen die Menschlichkeit und Mordes zu lebenslangen Haftstrafen verurteilt: unter ihnen der ehemalige Präsident Boliviens, Luis García Meza Tejada, dessen Innenminister, General Luis Arce Gómez, der uruguayische Außenminister Juan Carlos Blanco Estrade sowie weitere hohe Geheimdienstoffiziere.

Doch auch nach dem Urteil vom Januar 2017 gingen die Ermittlungen weiter, Prozesse folgten. Die Zahl der Angeklagten erweiterte sich auf 30 ehemalige Offiziere aus den Geheimdiensten der an »Cóndor« beteiligten Staaten. Die Generalstaatsanwaltschaft in Rom forderte vor dem Appellationsgericht gegen 24 Angeklagte lebenslange Haftstrafen. Im Urteil vom 8. Juli 2019 wurden jedoch nur acht Strafanträge bestätigt.

Sowohl Staatsanwaltschaft als auch die Vertreter der Nebenklage - Angehörige der Opfer - legten gegen dieses Urteil Revision ein und ersuchten die Oberste Rechtsinstanz in Rom um einen endgültigen Entscheid.

14 Angeklagte zu lebenslänglich verurteilt

Zwei Jahre nach dem zweitinstanzlichen Urteil hat nun das römische Kassationsgericht, oberste Rechtsinstanz Italiens, sein Urteil gefällt. Gegen 14 Angeklagte wurde eine lebenslange Haftstrafe ausgesprochen. Weitere acht Angeklagte waren in der Zwischenzeit verstorben. Unter den jetzt Verurteilten waren auch drei Offiziere, die sich ihrer Strafverfolgung in den Heimatländern durch eine Flucht nach Italien entzogen hatten. So der Marineschütze Jorge Nestor Troccoli (Uruguay) und der argentinische Ex-Leutnant Carlos Luis Malatto, denen die Entführung, Folter und Ermordung Dutzender Linksmilitanter vorgeworfen wurde; der argentinische Militärpriester Don Franco Reverberi, der heute eine Pfarrstelle in Sorbolo (Provinz Parma) bekleidet, hatte an unzähligen Folterungen teilgenommen.

Während die drei in Italien sesshaften Angeklagten ihre Haftstrafe nun antreten werden, sind weitere in Abwesenheit verurteilt worden. So hat der stellvertretende Generalstaatsanwalt Pietro Maria Catalani an Chile ein Auslieferungsersuchen gestellt, um die drei verurteilten Offiziere des Pinochet-Regimes ihrer Strafe zuführen zu können: Oberst Rafael Francisco Ahumada Valderrama, Unteroffizier Orlando Vásquez Morena und Brigadiere Manuel Vásquez Chahuan.

Das jetzt in Rom gefällte Urteil der Obersten Instanz wurde von den »Müttern der Plaza de Mayo« mit großer Aufmerksamkeit aufgenommen. Eine Sprecherin der Organisation der Frauen, deren Kinder unter der Militärdiktatur in Argentinien »verschwunden« sind, erklärte, in Rom sei »ein international historisches Urteil gegen die Repressoren« gefällt worden, das nicht nur den italienischen Opfern, sondern allen »Desaparecidos« Gerechtigkeit widerfahren lässt.

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