Razzia gegen Aktionskünstler

Ermittlungen wegen antirassistischer Online-Plattform

  • Peter Nowak
  • Lesedauer: 3 Min.

»Das Kolonialgedenken ist der Staatsanwaltschaft offenbar viel wert«, schrieb das »Peng«-Kollektiv jüngst auf Twitter. Vor wenigen Tagen hatte die Polizei das Berliner Büro und zwei Wohnungen der Aktionskünstler*innen durchsucht. Anlass der Razzia war die Online-Plattform »Tear this down« (»Reißt es nieder«), die das Kollektiv zusammen mit der Initiative Schwarzer Deutscher (ISD) seit einem Jahr betreibt.

»Deutschlands Kolonialerbe lebt auf den Straßen weiter«, heißt es auf der Homepage. Doch schon im Titel wird deutlich, dass hier eine kritische Auseinandersetzung mit den kolonialen Spuren in den deutschen Innenstädten betrieben wird. Auf der Seite sind unter anderem Straßen, Plätze und U-Bahnhöfe aufgeführt, die Namen von Kolonialverbrechen oder den dafür verantwortlichen Militärs, Wissenschaftler*innen und Politiker*innen tragen. Auf der interaktiven Karte kann man mit wenigen Klicks erfahren, wo sich in der eigenen Nachbarschaft solche kolonialen Bezüge finden.

Besonders dicht ist das Netz in Hafenstädten wie Hamburg. Vom »Asia-Haus« bis zu den »Marco-Polo«-Terrassen finden sich dort Namen von Personen, die den Kolonialismus vorangetrieben haben. Zu jedem der gefundenen kolonialen Bezüge gibt es eine knappe Erklärung. Dadurch wird auch ein anderer Blick auf historische Personen wie beispielsweise den Portugiesen Vasco de Gama gerichtet, der immer noch als der »Entdecker« des Seewegs um die Südspitze des afrikanischen Kontinents nach Indien gefeiert wird.

Auf der Seite »Tear this down« dagegen wird unter dem Stichwort des Hamburger Vasca-Da-Gama-Platz daran erinnert, welche Folgen die »Entdeckung« für die nichteuropäischen Menschen hatte. »Die Route wurde in den Folgejahren von der Handelsflotte der portugiesischen Krone, den ›Indien-Armadas‹, genutzt, um Handelsstützpunkte zu errichten und die Stadt Goa sowie die Gebiete Damao und Diu zu erobern.«

Auf diese Art gibt es für über 100 weitere koloniale Spuren Informationen. Damit könnte diese Webseite als ein Beitrag zu einer antikolonialen Geschichtsaufarbeitung betrachtet werden. Simone Dede Ayivi von der ISD hatte zum Start des Projektes in einem »Taz«-Interview erklärt: »Wir wollen das Wissen zusammentragen, ohne vorzugeben, wer die größten Kolonialverbrecher sind.«

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Doch die Staatsanwaltschaft ermittelt gegen die Betreiber*innen wegen Aufforderung zu Straftaten. Unbekannte hätten in Berlin sieben Kolonialdenkmäler beschädigt und sich dabei auf die Webseite bezogen. Besonders eine Passage auf der Homepage wird dabei von den Ermittlungsbehörden herangezogen.

Dort heißt es: »Markieren reicht nicht, wir suchen andere Formen. Vieles kann ein Denkmal sein und im Zweifelsfall macht es sich im Wasser treibend auch ganz gut.« Dass die Betreiber*innen für die Beschädigungen zur Verantwortung gezogen werden, halten Jurist*innen für zweifelhaft. Vor einem Jahr hatten im Zuge der antirassistischen »Black-Lives-Matter«-Bewegung in vielen Ländern, vor allem in den USA und Großbritannien, Antirassist*innen Kolonialdenkmäler gestürzt oder mit Farbe beschmiert. Auch in der deutschen Öffentlichkeit gab es damals relativ große Sympathie für solche Aktionen.

Nach den jüngsten Razzien ist allerdings die Solidarität mit dem »Peng«-Kollektiv verhalten.

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