Ausbildung im Team statt Kurzarbeit

Für Gastronomie-Azubis gibt es seit der Corona-Pandemie ein Ausbildungshotel in Lichtenberg

  • Louisa Theresa Braun
  • Lesedauer: 3 Min.

Eigentlich machen Khan Sanwari und Lukas Weber ihre Ausbildung zum Hotelfachmann im Hotel »Citylight« im Gesundbrunnen. Doch wegen der Corona-Pandemie konnten sie dort nicht weiter beschäftigt werden. Statt in die Kurzarbeit schickte ihr Arbeitgeber sie ins »Abacus-Tierpark-Hotel« in Lichtenberg. Seit November 2020 ist es Standort des bundesweit einmaligen Pilotprojekts »Ausbildungshotel« für Berliner Auszubildende in der Gastronomiebranche, die pandemiebedingt ihren Ausbildungsplatz verloren haben, die Lehre gar nicht erst beginnen oder sie nicht planmäßig fortsetzen konnten.

»Da die Hotel- und Gaststättenbranche so stark von Corona getroffen wurde, mussten wir handeln, damit die jungen Menschen ihren Abschluss machen können«, sagt Berlins Sozialsenatorin Elke Breitenbach (Linke), die dem Ausbildungshotel am Mittwoch einen Besuch abstattete. Das Sofortprogramm wird von der Berliner Senatsverwaltung für Integration, Arbeit und Soziales mit 2,7 Millionen Euro gefördert und beschäftigt zurzeit 37 junge Koch-, Hotel- oder Restaurantfachkraft-Azubis. »Das hat mir die Ausbildung gerettet«, sagt Yagnar Cengal, die in der Coronakrise ihre Lehre zur Köchin in einem kleinen Betrieb begonnen hat und sie nun im »Abacus-Tierpark-Hotel« fortsetzen kann. Dario Stephan geht es ähnlich. Das Gästehaus, in dem er sich zur Restaurantfachkraft ausbilden ließ, musste in der Pandemie geschlossen werden. Beide gehören zu den 26 Jugendlichen, die einen direkten Vertrag mit dem Bildungsträger Inab haben.

Viele Azubis mussten in Kurzarbeit

Elf weitere Azubis, wie Khan Sanwari und Lukas Weber, wurden von ihrem eigentlichen Betrieb für sechs Monate ins »Abacus« entsandt, weil ihr Unternehmen die Ausbildung nicht mehr gewährleisten konnte. »Wir hätten gerne noch mehr junge Menschen genommen, aber viele wurden in der Coronakrise auch in Kurzarbeit geschickt oder an die Rezeption, um den normalen Betrieb am Laufen zu halten«, bedauert Sebastian Riesner, Geschäftsführer der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten, die neben dem Hotel- und Gaststättenverband Berlin (Dehoga) Sozialpartner des Projektes ist.

Eigentlich ist das Überbrückungsprogramm auf 100 Azubis ausgelegt, im März dieses Jahres kam das Hotel »Albrechtshof« in Mitte als zweiter Standort hinzu. Alle Azubis der Ausbildungshotels werden nach Tarif bezahlt - und noch sind viele Plätze frei.

»Für uns ist das nicht so kompliziert, da wir die ganze Zeit für Geschäftsreisende geöffnet und schon viel Erfahrung mit der Ausbildung hatten«, sagt Hoteldirektorin Karen Friedel. Die Ausbildung so vieler junger Menschen in einer Zeit, in der es relativ wenig Gäste gab, sieht sie auch als Pluspunkt, da viel mehr Zeit für soziale Betreuung gewesen sei. Die Azubis kämen aus zehn verschiedenen Nationen, manche aus schwierigen sozialen Verhältnissen, bei einigen gebe es sprachliche Barrieren.

»Die Azubis sind hier sehr an sich gewachsen - mit einem Mal stehen gewachsene Persönlichkeiten vor einem«, sagt Marcus Strik, der die Auszubildenden vonseiten der Inab betreut. Khan Sanwari und Lukas Weber hoffen, dass sie ihre Ausbildung im »Abacus-Tierpark-Hotel« auch beenden können. »Hier haben wir viel mehr Möglichkeiten. In unserem alten Hotel gab es zum Beispiel nur Frühstücksbuffet«, sagt Sanwari. Weber gefällt, dass sie hier im Team ausgebildet werden.

Ziel des Programms, das insgesamt 33 Monate laufen soll, sei natürlich, dass die jungen Menschen anschließend in ihre Wirtschaftsbetriebe zurückkehren können oder eine andere Anstellung finden. Elke Breitenbach ist diesbezüglich optimistisch. Im vergangen Jahr seien in der Berliner Gastronomie 450 Ausbildungsverträge weniger als in den Vorjahren abgeschlossen worden. Viele hätten der Branche den Rücken gekehrt. »Die Touristen und die Messen werden aber nach Berlin zurückkehren, und dann stehen die Restaurants und Hotels vor der Herausforderung, neue Fachkräfte zu gewinnen. Dann werden unsere Azubis gesucht werden wie Goldstaub«, sagt die Sozialsenatorin.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.