Nach den Schüssen bleibt die Stille

Zehn Jahre nach dem Terror gedenkt Norwegen der Anschlagsopfer / Mörder Breivik offenbarte rechtsextremistische und islamfeindliche Motive

  • Lesedauer: 3 Min.

Oslo. Norwegen gedenkt der 77 Todesopfer der Terroranschläge in Oslo und auf der Insel Utøya vor genau zehn Jahren. Am Jahrestag der Angriffe des Rechtsextremisten Anders Behring Breivik sind am Donnerstag mehrere Gedenkveranstaltungen und Schweigeminuten geplant, an denen unter anderen Überlebende, Hinterbliebene, Regierungschefin Erna Solberg und Königshausvertreter teilnehmen werden. Bei einem nationalen Gedenken am Abend wird König Harald V. eine Rede halten.

Breivik hatte am 22. Juli 2011 zunächst eine Autobombe im Regierungsviertel der norwegischen Hauptstadt gezündet und dabei acht Menschen getötet. Daraufhin fuhr er zur etwa 30 Kilometer entfernten Insel Utøya, wo er sich als Polizist ausgab und das Feuer auf die Teilnehmerinnen und Teilnehmer des jährlichen Sommerlagers der Jugendorganisation der sozialdemokratischen Arbeiterpartei eröffnete.

69 Menschen, darunter vor allem Jugendliche und junge Erwachsene, kamen auf Utøya ums Leben. Breivik nannte rechtsextreme und islamfeindliche Motive für seine Taten. Er wurde im August 2012 zur damaligen Höchststrafe von 21 Jahren Sicherheitsverwahrung mit einer Mindestdauer von zehn Jahren verurteilt.

»Der 22. Juli ist eine dunkle Erinnerung in unserer Geschichte und wir sollten diejenigen niemals vergessen, die im Regierungsviertel und auf Utøya getötet wurden«, erklärte Ministerpräsidentin Solberg vorab. Der 22. Juli und alle anderen Tage sollten zu einer Erinnerung daran genutzt werden, dass man eine gemeinsame Verantwortung habe, um mit extremen Haltungen, Rassismus und Hassreden abzurechnen. »Der Kampf gegen Hass und Extremismus endet nie.«

Überlebende und Angehörige kämpfen bis heute mit gesundheitlichen Langzeitfolgen der Anschläge, darunter Angst, Depressionen und Schlafstörungen. Wie aus einer jüngst veröffentlichten Utøya-Studie hervorgeht, hat jeder Dritte, der den Terror auf der Insel überlebte, Hassbotschaften und Drohungen erlebt. Der Großteil davon führt dies darauf zurück, dass sie am 22. Juli 2011 auf Utøya gewesen waren.

Die unmittelbare Reaktion der norwegischen Gesellschaft auf die Anschläge war international mit Bewunderung betrachtet worden. »Unsere Antwort auf Gewalt ist noch mehr Demokratie, noch mehr Menschlichkeit, aber niemals Naivität«, hatte der damalige norwegische Ministerpräsident und heutige Nato-Generalsekretär Jens Stoltenberg damals gesagt.

In einem Interview mit ZDFheute anlässlich des zehnten Jahrestags sagte Stoltenberg, am 22. Juli gehe es in erster Linie um diejenigen, die damals ihr Leben und ihre Angehörigen verloren hätten. Die ganze Nation sei jedoch von den Taten getroffen worden. »Die Attentate haben Norwegen und das, was wir sind, stark geprägt.« Oder wie es Solberg - Stoltenbergs direkte Nachfolgerin im obersten Regierungsamt Norwegens - am Mittwochnachmittag auf einer Podiumsdiskussion in der Universität von Oslo ausdrückte: »Einige wurden angegriffen. Aber der Rest von uns stand unter Schock.« Die Bevölkerung habe den Schmerz ebenfalls gespürt. »Es war ein Schmerz für die ganze Gesellschaft.«

Das Problem rechtsextremer Ansichten ist nach den Taten von Oslo und Utøya auch in Norwegen nicht verschwunden. Vor einem Jahr wurde ein junger Angreifer zu 21 Jahren Sicherheitsverwahrung mit einer Mindestdauer von 14 Jahren verurteilt, nachdem er im August 2019 am Vorabend des islamischen Opferfestes eine Moschee nahe Oslo angegriffen hatte. Er war dabei mit mehreren Schusswaffen bewaffnet, konnte aber von Gläubigen überwältigt und festgenommen werden. In seiner Wohnung fand die Polizei später die Leiche seiner 17-jährigen Stiefschwester, die er mit vier Gewehrschüssen getötet hatte.

Die Gedenkveranstaltungen zum 22. Juli sollten am Donnerstagmorgen mit einer Zeremonie im Osloer Regierungsviertel beginnen. Dort sollten unter anderem die Namen aller 77 Todesopfer verlesen werden. Stoltenberg wird am Vormittag im Osloer Dom eine Rede halten, bevor auf Utøya später Blumen und Kränze niedergelegt werden. Auf der Insel wollte auch Kronprinz Haakon eine Rede halten. Ansonsten wird nicht nur während mehrerer geplanter Schweigeminuten vor allem eines herrschen an diesem Tag in Norwegen: Stille. dpa/nd

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