- Politik
- Bolivien und Argentinien
Waffendeals unter Rechten
Bolivien erstattet Anzeige gegen Ex-Generäle und Argentiniens Ex-Botschafter
Mauricio Macri ist Geschichte und Jeanine Áñez auch. Die rechten Präsidenten Argentiniens und Boliviens sind längst abgewählt - Macri 2019 und Jeanine Áñez 2020. Doch in seinen letzten Amtstagen soll Macri sich als Steigbügelhalter für Áñez betätigt haben - mit der Lieferung von Waffen. Boliviens Linksregierung unter Präsident Luis Arce erstattete am Mittwoch Anzeige gegen Ex-General Jorge Terceros sowie gegen Ex-Botschafter Normando Álvarez wegen des Verdachts auf illegalen Waffenschmuggel.
»Wir haben ein Dokument, das zeigt, dass die Macri-Regierung Material zur Verfügung gestellt hat, damit die Proteste unterdrückt und die De-facto-Regierung von Áñez konsolidiert werden konnte«, erklärte Boliviens Außenminister Rogelio Mayta bereits Anfang Juli. Als Beweis legte er ein Schreiben des ehemaligen bolivianischen Generalkommandeurs der Luftwaffe Jorge Terceros an den damaligen argentinischen Botschafter Normando Álvarez in La Paz vor.
Teller und Rand ist der neue ndPodcast zu internationaler Politik. Andreas Krämer und Rob Wessel servieren jeden Monat aktuelle politische Ereignisse aus der ganzen Welt und tischen dabei auf, was sich abseits der medialen Aufmerksamkeit abspielt. Links, kritisch, antikolonialistisch.
Terceros war Anfang Juli unter dem Vorwurf des Terrorismus, der Volksverhetzung und der Bildung einer kriminellen Vereinigung verhaftet worden. Im Schreiben bedankt sich der General zunächst für den Erhalt von »Kriegsmaterial aus chemischen Kampfstoffen«. Was folgt, ist eine präzise Auflistung von 40 000 Gummigeschosspatronen vom Typ AT12/70, 121 Tränengasgranaten verschiedenen Typs sowie einer Anzahl Pfefferspraydosen. Das Schreiben ist auf den 13. November 2019 datiert, der Eingangsstempel der Botschaft bestätigt am 15. November den Erhalt. Das Schreiben sei ebenso eine Fälschung wie seine Unterschrift darunter, wehrte sich Terceros. Álvarez erklärte, das Schreiben nie gesehen zu haben.
Boliviens langjähriger Staatschef Evo Morales (2006-2019) war am 10. November 2019 nach wochenlangen Protesten infolge der umstrittenen Präsidentschaftswahl und auf Druck der Militärführung vom Präsidentenamt zurückgetreten. Auf den Straßen des Landes war es zu gewaltsamen Auseinandersetzungen zwischen demonstrierenden Morales-Anhänger*innen und uniformierten Sicherheitskräften gekommen. Bei den tagelangen Auseinandersetzungen kamen Dutzende Menschen ums Leben, zahlreiche Personen wurden verletzt.
Am 12. November hatte die De-facto-Präsidentin Jeanine Áñez das Amt übernommen. Am 12. November war eine Hercules-Transportmaschine von Buenos Aires nach Bolivien geflogen. Mit ihr flog eine elfköpfige Spezialeinheit der argentinischen Gendarmerie samt Ausrüstung zum Schutz der argentinischen Botschaft nach La Paz. Ein international üblicher Vorgang, der lange Zeit auch nicht für Aufsehen gesorgt hatte. Inzwischen ist bekannt, dass zur Ausrüstung auch 70 000 Gummigeschosspatronen, 661 Tränengasgranaten sowie 100 Pfefferspraydosen gehörten. Den größten Teil ihrer Ausrüstung hatte die Einheit bei ihrer Rückkehr im Juni 2020 allerdings nicht zurückgebracht, weil er angeblich zu Übungszwecken eingesetzt wurde. Spekuliert wird zudem darüber, ob weiteres nicht deklariertes Material in der Hercules-Maschine mitgeflogen war. Die damalige argentinische Sicherheitsministerin Patricia Bullrich bestreitet alle Vorwürfe, besonders eine Weitergabe an die bolivianische Polizei oder die Militärs.
Am Dienstag präsentierte Boliviens Staatsminister Carlos del Castillo öffentlich Teile des Materials, das in einem Hangar der Sicherheitskräfte auf dem Flugplatz in La Paz gefunden worden war, so der Minister. »Sicher ist, dass Waffen illegal eingeführt wurden. Eine große Anzahl davon erhielt die bolivianische Polizei, die aber nicht eingesetzt wurden«, erklärte Del Castillo.
Argentiniens neue Regierung hat sich bereits offiziell entschuldigt. Der seit dem 10. Dezember 2019 amtierende Alberto Fernández schrieb, er fühle »Schmerz und Scham« angesichts des Vorgangs. Inzwischen wurde in Argentinien Anzeige gegen die Amtsvorgänger Macri und Bullrich wegen des Verdachts auf schweren Waffenschmuggel erstattet.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.