- Wirtschaft und Umwelt
- Fehmarnbelt
Bombenräumen im Belt
Bei Tunnelbau in der Ostsee wurden Munitionsaltlasten gefunden
Seit den 1990er Jahren wird eine feste Querung des Fehmarnbelts geplant. 2008 schlossen Dänemark und Deutschland einen entsprechenden Staatsvertrag. Doch immer wieder türmten sich neue Hindernisse auf. Umweltschützer wiesen nach, dass seltene Tierarten oder ganze Korallenbänke gefährdet werden, Anwohner befürchten, dass der Verkehr ihre Heimat maßgeblich verändert. Bereits Ende vergangenen Jahres hatte das Bundesverwaltungsgericht alle Klagen abgewiesen und so auf deutscher Seite den Baubeginn für das derzeit größte Verkehrsprojekt Nordeuropas ermöglicht. Auf dänischer Seite hat man per Gesetz bereits 2015 Baurecht geschaffen.
Anfang Juli begann man in Dänemark mit den Aushubarbeiten für den 18 Kilometer langen Absenktunnel, der von Rødbyhavn auf Lolland nach Puttgarden auf Fehmarn führen soll. Zuvor jedoch hat der Bauherr Femern A/S den kompletten Tunnelkorridor gründlich absuchen lassen. Aus gutem Grund. Man habe, so teilte die Firma zu Wochenbeginn mit, im deutschen Teil des Belts neben mehreren Granaten auch eine Wasserbombe sowie eine britische Grundmine entdeckt. Die Granaten unterschiedlichen Kalibers, die bis zu 300 Kilogramm wogen, hätten keinen Zünder mehr. Sie gehörten offenbar zu jener Munition, die nach dem Ende des Zweiten Weltkriegs in der Ostsee verklappt wurden, stellten Experten des Kampfmittelräumdienstes aus Schleswig-Holstein fest und brachten sie zur Entsorgung an Land. Schwieriger war der Umgang mit der Grundmine. Sie wurde unter Wasser entschärft und zum Versenkungsgebiet Kolberger Heide transportiert - zur Zwischenlagerung, wie es heißt.
»Die Beseitigung der Munitionsaltlasten kommt auch der Umwelt im Fehmarnbelt zugute«, ließ sich Pedro da Silva Jørgensen zitieren. Der Direktor für die seeseitigen Arbeiten bei Femern A/S informierte zugleich darüber, dass auch auf dänischer Seite Munitionsaltlasten gefunden wurden. Sie würden voraussichtlich im Herbst von der Marine kontrolliert und für die Umwelt so schonend wie möglich gesprengt.
Wo immer in der Ost- und Nordsee Pipelines oder neue Windparks geplant werden, geht dem Bau eine aufwendige Altlastensuche voran. Denn auch über 70 Jahre nach Kriegsende sind weite Meeresgebiete munitionsverseucht. Die Siegermächte ließen damals die deutschen Arsenale räumen und einen Gutteil der Munition in der Ost- und in der Nordsee verklappen. Experten schätzen, dass allein auf deutschem Hoheitsgebiet in der Nordsee 1,3 Millionen Tonnen konventionelle Munition zu finden sind. 300 000 Tonnen sollen in der Ostsee liegen - neben Seeminen sind das Torpedos, Granaten, Bomben, chemische Kampfstoffe in Fässern.
Das Gift und das Meer
Warum es an der Zeit ist, das Kriegserbe aus Nord- und Ostsee - über 1,6 Millionen Tonnen Bomben, Minen und chemische Kampfstoffe - zu bergen.
Es gibt relativ detaillierte Angaben über die Versenkungsgebiete und die Wege dorthin. Durch die voranschreitende Korrosion treten zunehmend Stoffe aus, die eine Gefahr für das Ökosystem darstellen. Weitgehend unklar ist beispielsweise, welchen Einfluss die Inhaltsstoffe auf die marine Umwelt und die Nahrungskette bis zum Menschen haben.
Dutzende Studien bieten seit Jahrzehnten Anlass, um gerade über diese sekundären Gefahren der Altlasten zu streiten. Immer wieder wird - bislang vergebens - eine Beräumung des gesamten Meeresbodens gefordert. So hat das Europaparlament im Frühjahr - vor allem, weil Grünen-Abgeordnete Druck machten - mit 660 zu acht Stimmen eine Resolution beschlossen, die die EU-Kommission und betroffene Ostseeanrainerstaaten auffordert, sich um die Munition auf dem Meeresgrund zu kümmern. Gefordert werden eine systematische Suche sowie Markierung der wichtigsten Gefahrenstellen. Zugleich müssten effektive Maßnahmen zur Beseitigung des gefährlichen Materials und Notfallpläne für mögliche Umweltkatastrophen entwickelt werden.
Die für das Problem zuständigen Umweltminister der deutschen Länder fordern derweil den Bund auf, seinen Beitrag zur Entsorgung der über 1,6 Millionen Tonnen Munition in Nord- und Ostsee zu leisten. Im August soll der Rostocker Bundestagsabgeordnete (CDU) Peter Stein - er ist Berichterstatter bei der Ostseeparlamentarierkonferenz (BSPC) - dem Berliner Parlament einen Abschlussbericht zum Thema Munitionsaltlasten vorlegen. Stein ist überzeugt, dass man in der Lage wäre, militärische Altlasten zu entsorgen. Um erste derartige Projekte in Angriff nehmen zu können, wünscht sich der Politiker eine enge multinationale Kooperation der Anrainer und einen freiwilligen Geberfonds im Umfang von mindestens 500 Millionen Euro. So ließe sich in der Ostsee ein Pilotprojekt starten. Die dabei erprobten Lösungen könnten auch in anderen Regionen der Welt helfen, vergleichbare Gefahren zu beseitigen.
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