Erasmo Carlos: »Sentado a beira do caminho«

  • Frank Jöricke
  • Lesedauer: 2 Min.

Nie wieder zauberte Brasilien einen Fußball wie bei der Weltmeisterschaft 1970 in Mexiko. Die Spielintelligenz war der des Schachgroßmeisters Bobby Fischer ebenbürtig. Immer wieder entdeckten Pelé, Gerson, Rivelino, Tostao und Jairzinho Lücken, wo keine waren, fanden den Weg in Räume, die der Gegner nicht einmal erahnte. Das alles geschah mit der Leichtigkeit und Selbstverständlichkeit von Zirkuskünstlern.

Mit dem realen Brasilien des Jahres 1970 hatte dieser Fußball nichts zu tun. Bleischwer und mit eiserner Härte hielt das Militärregime seit 1964 jede Freiheitsregung nieder. Viele Künstler und Musiker mussten in die USA oder nach Europa emigrieren. Selbst eine nationale Größe wie Gilberto Gil, Vater der Tropicália, erwischte es. Der Mann, der als Erster brasilianische Klänge mit elektrischem Rock verschmolzen hatte, war gezwungen, das Land zu verlassen - er hatte die herrschenden Generäle kritisiert.

Und jene, die blieben? Sie igelten sich ein, zogen sich ins Privatleben zurück und sangen wehmütige Lieder. Wie Erasmo Carlos, der den Erinnerungen an eine bessere Zeit nachhängt. Und nicht wenige Zuhörer dachten dabei nicht an die vergangene Liebe, sondern an das freie, aufregende Brasilien der frühen 60er Jahre. So fand das, was nicht mit Worten gesagt werden durfte, seinen Weg und sein Ventil in todtraurigen Melodien.

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