- Berlin
- Spekulation
Zäher Kampf gegen den Leerstand
Wenn Eigentümer nicht einlenken, beginnt für die Bezirke eine Sisyphusarbeit mit ungewissem Ausgang
»Die Hoffnung stirbt zuletzt«, sagt Ingrid Schipper zu »nd«. Sie sei schließlich ein sehr optimistischer Mensch, fügt sie noch hinzu. Außerdem hartnäckig, denn seit über fünf Jahren kämpft sie mit der Nachbarschaftsinitiative Friedenau dafür, dass in das Geisterhaus Odenwald-, Ecke Stubenrauchstraße wieder Leben einkehrt. Seit 15 Jahren steht es leer, obwohl die Eigentümerin im November 2019 vor dem Verwaltungsgericht Berlin zur Instandsetzung und Wiedervermietung verurteilt worden ist.
Erst im Juni dieses Jahres wurde bekannt, dass das Oberverwaltungsgericht Berlin-Brandenburg eine Berufung der Eigentümerin gegen das Urteil bereits im Januar abgelehnt hatte. »Die Freude darüber wird getrübt durch die Tatsache, dass wir nur durch eigene Initiative davon erfahren haben«, erklärt der Nachbarschaftsverein. Weder die Tempelhof-Schöneberger Ordnungsstadträtin Christiane Heiß, die für das Wohnungsamt zuständig ist, noch Baustadtrat Jörn Oltmann (beide Grüne) als Verantwortlicher für die Bauaufsicht hatten darüber informiert.
»Wir haben die Eigentümerin beauftragt, ein Gutachten über den baulichen Zustand anfertigen zu lassen«, sagt Stadtrat Oltmann zu »nd«. Den Auftrag habe sie sogar erteilt, doch coronabedingt sei es nicht zum vereinbarten Termin im Mai fertig geworden. Nun soll es in zwei Wochen so weit sein. »Wenn wir das Gutachten haben, wissen wir auch, welche Maßnahmen zu ergreifen sind. Die werden dann auf dem Wege nach einer Anhörung angeordnet«, so Oltmann weiter. Er nennt es einen »sehr mühseligen Prozess«, denn »leider sprechen wir immer noch von fremdem Eigentum«. Sowohl telefonisch als auch schriftlich habe er der Eigentümerin vorgeschlagen, das Haus an eine landeseigene Wohnungsbaugesellschaft zu verkaufen. »Sie erklärte jedoch, so das eigene Scheitern vor Augen zu haben, und lehnte daher ab«, berichtet der Stadtrat.
Ingrid Schipper bleibt trotzdem hartnäckig. Weil sie sich über eine Antwort der Senatsverwaltung für Stadtentwicklung geärgert hat, der zufolge nur rund 20 Geisterhäuser in Berlin von langjährigem Leerstand betroffen seien, hat sie eine eigene Karte im Internet veröffentlicht. Dort finden sich rund 70 Adressen, wie beispielsweise die Plattenbauten an der Habersaathstraße in Mitte, die ein Investor zugunsten neuer Luxusbauten abreißen möchte. In der Perleberger Straße 50 in Moabit hat sogar das Land Berlin Leerstand mitzuverantworten. Mehrere Wohnungen in dem in Eigentum aufgeteilten Haus wurden 2018 vom Land Berlin beschlagnahmt, um Gewinne aus der Organisierten Kriminalität abzuschöpfen.
Weiterhin auf der Liste ist auch das Haus an der Ecke Smetanastraße 23 und Meyerbeerstraße 78 im Komponistenviertel in Weißensee. Anfang 2020 hatte »nd« exklusiv erfahren, dass der Bezirk Pankow für das Gebäude bereits im April 2019 einen Treuhänder eingesetzt hatte. Da die in Köln lebende betagte Eigentümerin der Reichsbürger-Bewegung nahesteht, hatte sie keine rechtlichen Schritte gegen den Bezirk eingeleitet: Laut ihrer Ideologie existiert das Deutsche Reich fort und die Rechtsordnung der Bundesrepublik gilt nicht. Der Pankower Baustadtrat Vollrad Kuhn (Grüne) rechnete damals noch mit einer Vermietung der Wohnungen bereits im Jahr 2020. In Abstimmung mit den Senatsverwaltungen für Finanzen und Stadtentwicklung sei man dabei, »die mit einer Ersatzvornahme verbundenen Fragen zu klären«, erläutert Referentin Nicole Holtz auf nd-Anfrage. Eine »konkrete Zeitplanung« gebe es zu der Treuhänderschaft daher noch nicht.
Immerhin einen Erfolg kann sie vermelden: »Die Wohnungen in dem Haus in der Prenzlauer Allee, bei dem im Januar 2020 die Einsetzung eines Treuhänders im Raum stand, sind mittlerweile wieder durch die Eigentümer zur Vermietung dem Wohnungsmarkt zur Verfügung gestellt worden.« Dadurch habe sich eine Treuhänderschaft für das Haus »erst einmal erledigt«.
»Die Probleme selbst bei Einsetzung eines Treuhänders liegen in den viel zu hohen Hürden in den Ausführungsvorschriften des Zweckentfremdungsverbotsgesetzes«, erläutert Katrin Schmidberger. Sie ist Expertin für Mieten und Wohnen der Grünen-Fraktion im Abgeordnetenhaus. »Man muss immer auf die Reaktionen des Eigentümers warten, um den nächsten Schritt machen zu können«, bedauert Schmidberger. »Daran müssen wir in der Koalition arbeiten«, sagt sie.
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.