Das Nebenkostenprivileg fällt spätestens im Sommer 2024
Wettbewerbszentrale streitet vor dem Bgh um die kabelanschlussgebühren
Wettbewerbsschützer werfen die Frage auf: War die Praxis bisher überhaupt rechtens? Der Hintergrund: Von Mitte 2024 an dürfen Vermieter keine Kabelgebühren mehr auf ihre Mieter umlegen. Die Wettbewerbsschützer meinen, dass das auch heute schon gegen geltendes Recht verstößt.
In einem Musterverfahren hat die Wettbewerbszentrale diese Frage vor den Bundesgerichtshof (Az. I ZR 106/20) gebracht, der am 8. Juli 2021 darüber in Karlsruhe verhandelte. Das folgenreiche Urteil soll am 20. Oktober verkündet werden, wie der zuständige Senat mitteilte.
Die Wettbewerbsschützer stören sich daran, dass viele Mieterinnen und Mieter keine Chance haben, ihren Anschluss zu kündigen. Solange sie in der Wohnung wohnen, müssen sie die Gebühren dafür über ihre Nebenkosten mitzahlen - auch wenn sie den Anschluss möglicherweise gar nicht nutzen oder ihn nicht wollen. Dadurch seien Anbieter alternativer Übertragungswege wie etwa Streamingdienste im Nachteil.
Die Zentrale zur Bekämpfung unlauteren Wettbewerbs beruft sich auf einen Paragrafen im Telekommunikationsgesetz, wonach ein Vertrag »zwischen einem Verbraucher und einem Anbieter von öffentlich zugänglichen Telekommunikationsdiensten« höchstens eine Mindestlaufzeit von 24 Monaten haben darf. Außerdem muss es möglich sein, einen Vertrag für höchstens zwölf Monate abzuschließen.
Die BGH-Richter äußerten allerdings gewisse Zweifel, ob sich diese Vorschrift auf einen Immobilienkonzern mit Mietwohnungen anwenden lässt. In den Vorinstanzen hatte die Klage keinen Erfolg gehabt.
So oder so wird das Urteil nur noch vorübergehend von Bedeutung sein. Denn die Politik hat das Ende des sogenannten Nebenkostenprivilegs bereits besiegelt. Das Gesetz tritt zum 1. Dezember 2021 in Kraft. Bis Ende Juni 2024 gibt es noch eine Übergangsfrist. Künftig sollen Vermieter die Kosten für einen Kabelanschluss ohnehin nicht mehr auf die Mieter abwälzen können. Vielmehr bekommen alle Mieter dann die Wahlfreiheit, für die die Wettbewerbszentrale vor dem BGH streitet.
Für den beklagten Wohnungsanbieter Vivawest aus Gelsenkirchen, der etwa 108 000 seiner mehr als vermieteten 120 000 Wohnungen an das Kabelnetz angeschlossen hat, ist die baldige Abschaffung ein Beleg dafür, dass bisher das Gegenteil gilt. »Damit liegt aus unserer Sicht eine klare gesetzgeberische Wertung vor, dass bis dahin die Umlagefähigkeit weiterhin aufrechterhalten werden kann«, sagte der Anwalt des Unternehmens nach der Verhandlung in Karlsruhe. dpa/nd
Das »nd« bleibt. Dank Ihnen.
Die nd.Genossenschaft gehört unseren Leser*innen und Autor*innen. Mit der Genossenschaft garantieren wir die Unabhängigkeit unserer Redaktion und versuchen, allen unsere Texte zugänglich zu machen – auch wenn sie kein Geld haben, unsere Arbeit mitzufinanzieren.
Wir haben aus Überzeugung keine harte Paywall auf der Website. Das heißt aber auch, dass wir alle, die einen Beitrag leisten können, immer wieder darum bitten müssen, unseren Journalismus von links mitzufinanzieren. Das kostet Nerven, und zwar nicht nur unseren Leser*innen, auch unseren Autor*innen wird das ab und zu zu viel.
Dennoch: Nur zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!
Mit Ihrer Unterstützung können wir weiterhin:
→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.
Seien Sie ein Teil der solidarischen Finanzierung und unterstützen Sie das »nd« mit einem Beitrag Ihrer Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.