Versicherer taugen nicht als Klimaretter
Policen, die Menschen und Umwelt schützen, sind weiterhin Mangelware
Viele Sparer wollen nicht von Unternehmen profitieren, die ihre Gewinne auf Kosten von Mensch und Umwelt erwirtschaften. Fast jeder zweite Bundesbürger bezeichnet die soziale und ökologische Nachhaltigkeit als wichtigen Aspekt einer Geldanlage.
So lautet das Ergebnis einer aktuellen Umfrage, die im Auftrag der Postbank durchgeführt wurde. Danach zeichnet sich ein populärer Trend ab, den auch der Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV) erkannt hat.
Schritt zur Nachhaltigkeit?
Im Juni trat der Verband den »Principles of Sustainable Insurance« (PSI) bei. Diese Finanzinitiative des Umweltprogramms der Vereinten Nationen soll Versicherern als Leitfaden dienen, um Nachhaltigkeitskriterien zu berücksichtigen. »Für uns Versicherer markiert dieser Schritt einen weiteren Meilenstein«, lobte GDV-Hauptgeschäftsführer Jörg Asmussen seine Lobbyorganisation.
Dieser Schritt zeige, dass man das Thema Nachhaltigkeit nicht allein bei der Kapitalanlage, sondern auch im eigenen Kerngeschäft ernst nehme, nämlich der Übernahme von Risiken, sagte der frühere sozialdemokratische Staatssekretär im Bundesfinanzministerium. Die Verankerung von Nachhaltigkeit bei der Risikozeichnung gehört zu den Zielen, auf die sich die deutsche Versicherungswirtschaft Anfang dieses Jahres verständigt hat.
Erster Nachhaltigkeitsbericht 2021
Ende 2021 will der GDV dann seinen ersten Nachhaltigkeitsbericht vorlegen. Langfristig wollen die Versicherer - ganz in Übereinstimmung mit den Zielen der Vereinten Nationen - keine gewerblichen und industriellen Risiken mehr zeichnen, die den Transformationsprozess zu einer nachhaltigen und klimaneutralen Wirtschaft behindern.
»Wir bringen unsere Expertise in das Netzwerk unter dem Dach der Vereinten Nationen ein, lernen von anderen und geben dieses Wissen an unsere Mitglieder weiter«, so Asmussen. Die Versicherer strebten »den aktiven Dialog mit ihren Kundinnen und Kunden« an, um das Bewusstsein für die Folgen des Klimawandels in der Breite zu schärfen.
Das sollten die meisten Versicherer erst einmal in der eigenen Chefetage tun. Bei den Versicherungskonzernen in Deutschland herrscht zwar mehrheitlich gute Stimmung. Ursachen für die Zuversicht: weniger Schäden und daher weniger kostspielige Leistungsfälle. Zudem haben viele Unternehmen den Lockdown für die Digitalisierung ihres Geschäftes genutzt.
Darüber hinaus erwartet die Mehrheit der Manager Nachholeffekte bei der werten Kundschaft. Dies zeigt die Studie »Branchenkompass Insurance 2021« des Beratungsunternehmens Sopra Steria.
Mangelware auf Strategieagenda
Doch anders als »Digitalisierung« und »Kosten« schafft es das Thema »Nachhaltigkeit« derzeit auf kaum eine Strategieagenda. Nur etwa 20 Prozent der befragten Entscheider halten laut der Studie die Integration von Nachhaltigkeitskriterien für eine Aufgabe, der Vorrang zukommt. Dabei müssen die Versicherer als Finanzmarktteilnehmer mittlerweile offenlegen, wie nachhaltig ihre Anlageprodukte sind, beispielsweise die Fondslebensversicherungen.
Mit der Erweiterung der nicht finanziellen Berichtspflichten müssen Versicherer außerdem Angaben beispielsweise zu CO²- und Wasserverbrauch machen. Zudem müssen Vermittler ihren Kunden neuerdings mitteilen, ob sie eine Nachhaltigkeitsstrategie verfolgen oder nicht.
Doch den Einfluss der Branche auf eine nachhaltige Wirtschaft stufen die befragten Chefs mehrheitlich als »eher gering« ein. Nur 16 Prozent sind der Auffassung, dass Versicherer künftig wesentlich dazu beitragen werden, den Klimawandel zu stoppen.
»ESG«-Produkte aus Thüringen
Entsprechend dünn ist das Angebot. Im Bereich Altersvorsorge/Lebensversicherung/Riester bieten Versicherer wenige Geldanlagen an, die sich an ESG-Kriterien orientieren. Meist sind dies Fondsprodukte von Dritten. ESG ist mittlerweile eine gängige Formel für Nachhaltigkeit. Sie steht für »Environmental, Social, Governance« - zu Deutsch: Umwelt, Soziales und gute Unternehmensführung. Allerdings sollten Sie bei Interesse bedenken, es gibt für ESG-Produkte keine allgemein anerkannten Regeln! Viele Produkte sind daher reine Grün-Wäsche.
Grundsätzlich kann davon abgeraten werden, eine Risikoabsicherung mit einer Geldanlage zu verbinden. In ESG-Fonds können Sie auch direkt ihr Geld anlegen - fragen Sie ihre (Genossenschafts-)Bank, Sparkasse oder das Internet. Dort finden Sie alternative Anbieter wie GLS oder die Ethikbank - eine bundesweit aktive Direktbank, die in Eisenberg in Thüringen zu Hause ist.
Es bleibt weiter die Suche
Wer eine nachhaltige Sachversicherung sucht, wird weder bei der Stiftung Warentest noch bei Finanztip online Rat finden. Einige Makler und sonstige Anbieter ploppen unter dem Stichwort »grün versichert« in einer Suchmaschine auf. Sie bieten konventionelle Sicherungsprodukte an, die mit einem sogenannten Kompensationsgeschäft gekoppelt sind.
Zum Ausgleich des klimatischen Fußabdrucks, den selbst eine vergleichsweise preiswerte Haftpflicht hinterlässt, wird in tropischen Regenwald oder in heimische Öko-Bauernhöfe investiert. Offenbar glaubt die Versicherungsbranche nicht wirklich an eine tragende Rolle als Klimaretter.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
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