Klimakrise, Pandemien: Unsere Ernährung muss sich ändern

Globale Probleme wie Pandemien und die Klimakrise lassen sich nur lösen, wenn tierische Produkte vom Speiseplan streichen, fordert Kurt Schmidinger

  • Kurt Schmidinger
  • Lesedauer: 3 Min.

Dürre und Überflutungen zugleich in Europa: Auch wir hier spüren längst Vorboten der Klimakatastrophe. In den Maßnahmen zur Bewältigung der Klimakrise fehlt allerdings fast immer ein wesentlicher Punkt: Wir müssen unseren Konsum von Tierprodukten drastisch reduzieren. Global beziffert die UN-Landwirtschaftsorganisation FAO den Anteil der Nutztierhaltung am Klimawandel zwischen 14,5 und 18 Prozent, das ist mindestens so viel, wie der Anteil des gesamten weltweiten Verkehrs. Nationale Landwirtschaftsgremien wiederum servieren uns gerne geschönte Studien, in denen etwa die Importfuttermittel aus dem Regenwald und vieles andere nicht eingerechnet wird - dabei denken wir bitte auch daran, dass über 90 Prozent des verbrauchten Soja hierzulande Nutztierfutter ist.

Aber selbst die FAO präsentiert nur die halbe Wahrheit - die Treibhausgas-Emissionen. Was noch fehlt in der Bilanz sind die sogenannten »Opportunitätskosten«: Fleischproduktion belegt enorme Ackerflächen, weil die Tiere aus fünf bis sieben Kalorien Futter nur eine Kalorie Fleisch, Milch und Eier machen, der Rest wird zu Gülle und Schlachtabfällen. Die reine Weidehaltung von Rindern oder Schafen ist in vielen anderen Problemfeldern zwar besser als die industrielle Nutztierhaltung, aber beim Flächenbedarf nicht. Einzig der Umstieg von tierischen zu pflanzlichen Lebensmitteln reduziert den Flächenbedarf enorm. Die nachwachsende natürliche Vegetation auf den frei werdenden Flächen wäre unser Trumpf-Ass gegen die Klimakrise: Wie mit einem Schwamm könnten wir damit viel CO2 aus der Atmosphäre wieder als Biomasse binden und das Klima massiv entlasten.

Unser anderes globales Topthema sind Pandemien. Auch deren Übersprung auf uns Menschen könnten wir durch Änderung unserer Ernährungsgewohnheiten und die Abschaffung der industriellen Nutztierhaltung reduzieren: Einerseits weil wir weniger Fläche bräuchten, und damit weniger Regenwälder und dort angesiedelte Artenvielfalt zerstören müssten, womit wir auch weniger mit fremden Viren in solchen Gebieten in Kontakt kämen.

Andererseits auch, weil industriellen Tierfabriken selbst immer wieder Seuchenherde sind. Wir wissen, dass uns physische Distanz in Pandemiezeiten schützt. In der industriellen Nutztierhaltung werden allein in Deutschland in diesem Moment über 200 Millionen Tiere gezwungen, das genaue Gegenteil zu praktizieren: Sie stehen in Massen Körper an Körper mit geschwächtem Immunsystem im eigenen Dreck. Ausbrüche von Vogelgrippe, Schweinegrippe, auch Covid-19-Mutationen in den gigantischen, im November 2020 dann stillgelegten dänischen Nerzfarmen - es gibt so viele Belege, dass die industrielle Nutztierhaltung hier brandbeschleunigend wirkt!

Ein weiteres Gesundheitsfiasko, auf das wir zusteuern, ist das Ende funktionsfähiger Antibiotika. Wir sollten sie sparsam einsetzen, um immer weiterschreitende Resistenzbildungen zu verhindern. Aber wie verwenden wir weltweit drei Viertel der Antibiotika? Rein dazu, um Nutztiere trotz Massenhaltung auf engstem Raum unter meist schrecklichen Bedingungen doch noch irgendwie lebend zum Schlachthof zu bringen.

Nicht nur den Tieren gegenüber haben wir hier einen Erklärungsnotstand. Wenn im Jahr 2060 vielleicht eine Lungenentzündung wieder zur tödlichen Gefahr geworden ist, wie erklären wir dann den Generationen nach uns, dass uns das billige Schnitzel aus der Tierfabrik wichtiger war?

Ohne radikale Änderung der Ernährungsgewohnheiten werden wir als Menschheit ethisch und ökologisch scheitern. Öffentlich schweinsschnitzelessende Spitzenpolitiker demonstrieren hier leider komplett mangelnde Kompetenz bei der Lösung globaler Dringlichkeiten.

Wir haben viele Optionen: pflanzliche vollwertige Ernährung oder deftige Gerichte mit pflanzlichen Alternativen zu Fleisch, Milch und Eiern zubereitet, oder auch die Nutzung technischer Innovationen, wie etwa Fleisch, das aus tierischen Zellen gezüchtet wird. Es wird und soll auch all diese Wege parallel geben, und wir können wählen, welcher Weg uns hier persönlich sympathisch erscheint. Nur eine Option hat ein lernfähiger homo sapiens sicher nicht: Die industrielle Nutztierhaltung fortzuführen.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.