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Ist alt, ist modern, ist Zukunft
Genossenschaften sind, wenn sie gut gedacht und gemacht werden, ein tolles Wirtschaftsmodell
Es ist schon fast zehn Jahre her, dass die Vereinten Nationen das Jahr der Genossenschaften ausriefen. Jene Zeit war der Beginn einer bis heute ungebrochenen Renaissance des genossenschaftlichen Gedankens. Die Unternehmensform hatte bereits in den 80er Jahren Konjunktur, als Alternativbewegungen aufbrachen, gemeinsam zu wirtschaften oder zu wohnen oder mit einem hohen Maß an Selbstverwaltung einen solidarischen Beitrag zur Veränderung der Gesellschaft zu leisten.
In den Wendejahren wurde sogar von einer »Vergenossenschaftlichung Osteuropas« gesprochen - Wirtschaftsdemokratie, soziale Selbsthilfe, Belegschaftsbeteiligung standen für kurze Zeit recht hoch im Kurs. Das flaute ab. Auch weil sich Politik und Wirtschaft ordentlich gegen eine solche Kultur wirtschaftlicher Demokratie stemmten. Obwohl Genossenschaften nun wahrlich nicht per se ein Angriff auf den Kapitalismus sind, eher den Reformgedanken in sich tragen und - wohl wahr - ein hohes Maß an Demokratie und Mitbestimmung ermöglichen, je nachdem, wie sie ausgestaltet werden. Das Kapital kennt drei Wege, mit solchen Entwicklungen umzugehen: einhegen, kleinhalten, verhindern. Was Genossenschaften anbelangt, könnte man sagen: Es hat sich für einen Mix entschieden.
Der Spielraum ist jedoch trotzdem groß und wächst. Es gibt Genossenschaften - besonders im Bereich Wohnen -, die haben es nicht sonderlich mit der Demokratie und sind nicht weniger gewinnorientiert aufgestellt als jede schnöde Kapitalgesellschaft. Genossenschaften, wie beispielsweise »Eigentum 2000« und »Mendelssohn-Viertel« (Berlin), sprachen mit ihrer eigenverschuldeten Insolvenz eine deutliche Sprache. In der Landwirtschaft - vor allem in den neuen Bundesländern - wirtschaften große Agrargenossenschaften zwar im Gewinnbereich, zugleich aber auch den Acker zugrunde.
Die Prinzipien der Genossenschaft
Die formal-rechtliche Organisation sagt also erst mal nur wenig über die soziale Ausgestaltung. Trotzdem ist der rechtliche Rahmen wichtig, denn er definiert vier Wesensmerkmale, die Genossenschaften ausmachen: Das Förderprinzip, das Identitätsprinzip, das Solidaritätsprinzip, das Demokratieprinzip. Daraus lässt sich etwas Gutes machen. Daraus lässt sich sogar etwas machen, was dem eigentlichen Sinn des Kapitalismus - lebendige Arbeit zu verschlingen, um aus den so entstehenden Produkten möglichst hohe Gewinne zu generieren - zuwiderhandelt.
Eine Genossenschaft kann als Wirtschaftsmodell der Zukunft angesehen werden und ist vielfache Gegenwart. Gerade in Krisenzeiten erweist sich das Modell als tragfähig und oft überlegen. Denn ist es gut gemacht und nicht nur gut gemeint, tragen viele Schultern, was getan werden muss. Sicher ist die Tageszeitung »Taz« ein gutes Beispiel dafür - um mal in dem Bereich zu bleiben, der für die Leser*innen dieser Zeitung besonders interessant ist -, dass selbst in Zeiten, da Zeitungen nicht wuchsen, sondern starben, eine starke Genossenschaft Halt geben und für Solidität bürgen kann. Dies auch, weil die Entscheidung getroffen wurde, dass die Genossenschaft nicht nur aus jenen besteht, die ein Produkt (Tageszeitung) erstellen, sondern gemeinsam mit jenen gestaltet wird, die dieses Produkt kaufen (im Fall einer Zeitung: abonnieren).
Genossenschaft als Widerspruch zum Homo oeconomicus
Mit dem Genossenschaftsgedanken können sich viele Menschen identifizieren. Was den Vertreter*innen der Heilslehre vom Homo oeconomicus zu widersprechen scheint, sagt diese doch, dass jede und jeder sowieso nur auf eigenen Vorteil bedacht ist, sich das aber in der Summe zu einem geradezu idealtypischen Markt fügt, der dann schon alles regeln wird. Heilslehren sind meist fürchterlich schlicht. Und sie stimmen nie.
Eine Genossenschaft ist zugleich ein Kooperationsunternehmen und eine Rechtsform. Sie ist nicht verpflichtet, Gewinne zur späteren Ausschüttung an ihre Mitglieder zu erwirtschaften. Meint: Wer eine Genossenschaft gründen und mit dieser Genossenschaft etwas produzieren und verkaufen will, muss sich der Frage stellen, ob dies betriebswirtschaftlich möglich ist und unter welchen Bedingungen es geschehen kann. Denn produzieren bedeutet: Auch hier wird lebendige Arbeit in ein Produkt gewandelt, müssen Löhne und Gehälter gezahlt, der Vertrieb organisiert und das Material bestellt, müssen die Produktionsmittel beschafft und erneuert werden, die es für die Herstellung des Produktes braucht. Dafür bedarf es der Aufwandsdeckung und für die Zukunftssicherung auch reinvestierbarer Gewinnanteile.
Egal, wie urdemokratisch die Unternehmensform Genossenschaft sein kann, sie kommt nicht umhin, will sie etwas produzieren, sich an den Gesetzen des Marktes zu orientieren. Aber sie kann im Innenverhältnis sehr wohl anders funktionieren als die Haifischbecken privatwirtschaftlicher Unternehmungen. Die solidarische Ökonomie - die nicht deckungsgleich mit Genossenschaften ist, sich aber sehr oft dieser Rechtsform bedient, weil sie ausreichend Spielraum für genau diesen Solidargedanken bietet - baut in vielen Bereichen darauf, dass sich ausreichend Menschen finden, die ein Produkt oder Produkte kaufen, die noch gar nicht produziert sind. Mit ihrem Vorab-Kauf ermöglichen sie jedoch, dass überhaupt produziert werden kann.
In der Solidarischen Landwirtschaft heißt dies zum Beispiel, dass die zu erwartende Ernte bereits in Teilen von einzelnen Mitgliedern der SoLaWi bezahlt wird. Sie gehen in Vorkasse. Nichts anderes wäre erst einmal der Abschluss eines Jahresabonnements, mit dem man sozusagen vorab die Jahresproduktion einer Zeitung kauft. Das ist ein gutes Prinzip, dessen größtes Kapital natürlich das Vertrauen jener ist, die das Produkt kaufen und darauf bauen, dass jene, die es produzieren, dies auch in ausreichend guter Qualität tun werden. Ein Vertrauen, das sie bereits mit der Zeichnung eines Genossenschaftsanteils bekundet haben. In der SoLaWi werden deshalb die Käufer*innen oft Prosumentinnen genannt - eine Verbandelung von Konsumentin und Produzentin, die nicht schön klingt, aber schön ist.
Zeitung als Genossenschaftsprodukt
Bei einer Zeitung lässt sich das Wort nicht so einfach benutzen, schließlich sollen professionelle Journalist*innen das Produkt für interessierte und engagierte Leser*innen erstellen. Eine tägliche Redaktionskonferenz mit allen Abonnent*innen ist ziemlich undenkbar. Und undenkbar auch eine Mitgliederversammlung zu Beginn des Jahres, bei der alle Beteiligten ansagen, wie viel sie in diesem Jahr vorab für die Produktion der Zeitung geben können und wollen. So lässt sich eine Zeitung schlecht planen. Aber die Mitglieder können und sollen sehr wohl über inhaltliche Ausrichtung, mögliche Kooperationen, Erweiterung oder Verkleinerung der Produktpalette und andere wichtige Fragen entscheiden.
Es stellt sich trotzdem die Frage, inwieweit Leser*innen über die jährliche Mitgliederversammlung hinaus eingebunden werden - dem demokratischen und solidarischen Gedanken also Rechnung getragen werden kann. Eine Genossenschaft jedenfalls ist für eine linke Zeitung der gegenwärtig beste denkbare Rahmen, den man dem wirtschaftlich geben kann. Weil er sowohl Unabhängigkeit als auch Beteiligung und Solidarität ermöglicht. Und weil der Erfolg, den wir eben nicht Gewinn nennen müssen, allen Engagierten zugutekommt.
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