Zu wenig Geld, zu viele Schulden

Geldvermögen häuft sich immer in den Händen weniger Menschen an. Das einzige wirkliche Volksvermögen sind die Staatsschulden.

  • Rudolf Walther
  • Lesedauer: 3 Min.

Wenn es um »Geld« und »Freiheit« geht, also buchstäblich ums Ganze, sollte man tunlichst nicht auf die Hausrezepte jener hören, die sich seit geraumer Zeit als die Gralshüter des Liberalismus aufspielen. Bei den Lindners ist die Freiheit zur fast wertlosen, extrem dünnen Münze plattgeprägt worden, während das große Geld mit der FDP in die Regierung möchte, am liebsten ins Wirtschafts- oder Finanzministerium, wo man ausprobieren möchte, was an Sozialabbau für die unten und an Steuergeschenken für die oben möglich ist.

In der Berner Aristokratie, die zu einem guten Teil vom Verkauf und von der Vermietung von Schweizer Bauernsöhnen als Söldner lebte, galt früher die Devise: »Über Geld redet man nicht, Geld hat man.« Was sich die chinesischen Führung dachte, als sie ihre Währung »Renminbi« taufte, ist nicht überliefert. Bekannt ist jedoch die wörtliche Übersetzung des Wortes »Renminbi: «Geld des Volkes». Ein munteres Versprechen. Zu schön, um wahr zu sein.

Freilich widerspricht ein solches Wort schon der elementaren Alltagserfahrung quer durch die Geschichte und die Kulturen - dem Volk fehlte und fehlt es meistens an Geld. Geld flieht vor dem Volk, denn es nächtigt bekanntlich lieber in den Palästen als in Hütten und Zelten. Die Kathedralen der Banken wurden mit den Zinsen aus dem Geldverleih gebaut. Unter der Herrschaft von (Neo-)Liberalismus brauchte man das Volk nur als Legitimations- und Steuergeldlieferant für die Bedienung des Schuldendienstes der permanent wachsenden Staatsschulden. Der große Autor Robert Musil wusste, dass «keine Tierart unter so untierischen Bedingungen lebt, wie manche Menschen unmenschlich leben». Wo vermeintlich das Geld regiert, haben die Menschen nichts mehr zu lachen, sondern - im Glücksfall - nur noch zu arbeiten und brav Steuern zu zahlen.

Das wusste schon Karl Marx. Jedenfalls hätte er eine Währung nie «Geld des Volkes» genannt, denn er hatte erkannt, dass das einzige wirkliche Volksvermögen die Staatsschulden sind. Die gehören wirklich allen, auch wenn nur noch Spezialisten wissen, wie sie entstehen und sich so zügig vermehren, dass die Banken nicht eingehen. Die «Schulden des Staates», das heißt des Volkes, sind weltweit am Wachsen, während dem Volk das Geld ausgeht und Zinsen für Ersparnisse so wahrscheinlich sind wie die sprichwörtlich «blühenden Landschaften» in der Antarktis. Wie die bernische Aristokratie und Marx kennt auch die englische Monarchie das Geldgeheimnis ziemlich genau: Alle wichtigen Institutionen vom «Royal Exchange» (Börse) bis «Royal Navy» tragen den vornehmen Ursprung als Besitztitel und Fanal in ihrem Namen. Mit einer wichtigen Ausnahme: Die Staatsschulden nennt man im noch «Vereinigten Königreich» «National Debt» - Volksschulden, womit sich Geburtsadel und Finanzaristokratie schon einmal rein sprachlich-begrifflich von der Verantwortung für die Bedienung der Schulden bei den Banken verabschieden.

Könige und Aristokratien reden also von «Volksschulden» und Diktaturen vom «Geld des Volkes». Was bleibt da noch übrig für Republikaner und Demokraten? In einer demokratischen Republik gibt es außer Geld und Schulden auch noch Freiheit. Fragt sich, welche für wen? Der ehemalige Verfassungsrichter Paul Kirchhof adelte das Geld im Handstreich zum «Freiheitsinstrument». Wenn das wörtlich zu nehmen wäre, dann stünde es um die Freiheit des Volkes etwa so wie mit dem Geld, wenn es von Diktatoren zum «Geld des Volkes» oder von Königen zu «Volksschulden» erklärt wird. Deshalb verzaubert Kirchhof Freiheit zum Götzen «Freiheit», an den das Volk glauben soll wie der Gläubiger an die Zahlungsfähigkeit des Schuldners. In der Republik wird die Geld-Schuldknechtschaft des Volkes im Namen einer kommoden liberalen Liturgie als «Freiheit» kostümiert, die «vorzugsweise bestrebt ist, von allen Gedanken frei zu sein» (Karl Marx). Fazit: In Gelddingen hört nicht nur die Gemütlichkeit auf, sondern auch der Unterschied zwischen Monarchie, Demokratie und Diktatur: Geld scheut das Volk wie der Teufel das Weihwasser.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.