Rivalitäten um Afghanistan

Cyrus Salimi-Asl misstraut dem Westen und dessen Absichten

  • Cyrus Salimi-Asl
  • Lesedauer: 2 Min.

Wir, also der Westen, haben Afghanistan verloren, prophezeien nun viele Medien: an die islamistische Internationale, an China, Russland, den Iran. Deren Botschaften in Kabul blieben schließlich offen. Gab es geheime Absprachen zu unserem Nachteil? Merke: Afghanistan gehörte uns, dem moralisch überlegenen Westen. Wir fühlten uns auserwählt, das ach so wilde Land am Hindukusch für unsere Leitkultur zu gewinnen. Trunken vor Hybris wussten wir immer am besten, was die Menschen dort brauchen – und in bester Absicht brachten wir ihnen 2001 einen 20-jährigen Krieg: Um Osama Bin Laden zu bestrafen. Um die Taliban davonzujagen. Um die Frauen zu befreien. Um Afghanistan in ein Land zu verwandeln, das vor den Augen des Westens bestehen kann.

Die Ziele wurden immer höher gesteckt, Zweifel abgetan. Die ursprünglichen Kriegsvorwände verschwammen hinter den Ereignissen der nachfolgenden 20 Jahre. Noch heute rechtfertigen Politiker und Leitmedien den Angriffskrieg auf Afghanistan nach dem 11. September. »Skandalös« sei jetzt nur, wie überstürzt und planlos der Rückzug abläuft. Und schon warnen Kommentatoren vor den Gefahren, die dem Westen aus dem militärischen Debakel erwachsen könnten: dass die Taliban wieder Terroristen bei sich üben lassen, wie man Bomben bei uns zündet. Und sorgen sich, dass Staaten, die geografisch nah an Afghanistan liegen, uns dort die Butter vom Brot nehmen, dass China die Lücke füllt. Diese Befürchtung verrät glasklar: Uns im Westen interessieren die Menschen dort allenfalls am Rande, afghanische Flüchtlinge sind hier unerwünscht: Sollen die doch sehen, wo sie bleiben, vergesst 2015. Tatsächlich geht es dem Westen um Geopolitik und Einfluss in der Region. In dieser Logik des Kalten Krieges sind die Menschen unter dem Taliban-Regime nur Figuren auf dem Schachbrett.

Abonniere das »nd«
Linkssein ist kompliziert.
Wir behalten den Überblick!

Mit unserem Digital-Aktionsabo kannst Du alle Ausgaben von »nd« digital (nd.App oder nd.Epaper) für wenig Geld zu Hause oder unterwegs lesen.
Jetzt abonnieren!

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.

- Anzeige -
- Anzeige -