- Politik
- Geopolitik des Westens
Rivalitäten um Afghanistan
Cyrus Salimi-Asl misstraut dem Westen und dessen Absichten
Wir, also der Westen, haben Afghanistan verloren, prophezeien nun viele Medien: an die islamistische Internationale, an China, Russland, den Iran. Deren Botschaften in Kabul blieben schließlich offen. Gab es geheime Absprachen zu unserem Nachteil? Merke: Afghanistan gehörte uns, dem moralisch überlegenen Westen. Wir fühlten uns auserwählt, das ach so wilde Land am Hindukusch für unsere Leitkultur zu gewinnen. Trunken vor Hybris wussten wir immer am besten, was die Menschen dort brauchen – und in bester Absicht brachten wir ihnen 2001 einen 20-jährigen Krieg: Um Osama Bin Laden zu bestrafen. Um die Taliban davonzujagen. Um die Frauen zu befreien. Um Afghanistan in ein Land zu verwandeln, das vor den Augen des Westens bestehen kann.
Die Ziele wurden immer höher gesteckt, Zweifel abgetan. Die ursprünglichen Kriegsvorwände verschwammen hinter den Ereignissen der nachfolgenden 20 Jahre. Noch heute rechtfertigen Politiker und Leitmedien den Angriffskrieg auf Afghanistan nach dem 11. September. »Skandalös« sei jetzt nur, wie überstürzt und planlos der Rückzug abläuft. Und schon warnen Kommentatoren vor den Gefahren, die dem Westen aus dem militärischen Debakel erwachsen könnten: dass die Taliban wieder Terroristen bei sich üben lassen, wie man Bomben bei uns zündet. Und sorgen sich, dass Staaten, die geografisch nah an Afghanistan liegen, uns dort die Butter vom Brot nehmen, dass China die Lücke füllt. Diese Befürchtung verrät glasklar: Uns im Westen interessieren die Menschen dort allenfalls am Rande, afghanische Flüchtlinge sind hier unerwünscht: Sollen die doch sehen, wo sie bleiben, vergesst 2015. Tatsächlich geht es dem Westen um Geopolitik und Einfluss in der Region. In dieser Logik des Kalten Krieges sind die Menschen unter dem Taliban-Regime nur Figuren auf dem Schachbrett.
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