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Kein gutes Zeugnis

Die Bildungspolitik ist ein zentrales Thema im Landtagswahlkampf

Knapp drei Wochen läuft in Mecklenburg-Vorpommern die Schule wieder. Klar, dass die Folgen der Coronakrise auch in diesem Schuljahr, dem mittlerweile dritten, das von der Pandemie betroffen ist, eine wichtige Rolle spielen. Wobei es zunächst gute Nachrichten gibt. So können sich die allermeisten Schüler*innen im Land - außer die in Rostock, wo der Inzidenzwert derzeit zu hoch ist - seit Anfang dieser Woche über die Aussetzung der Maskenpflicht freuen.

Neben den direkten Anti-Corona-Maßnahmen - deren Verschärfung oder Lockerung - wird Schulen, Schüler*innen und Eltern in nächster Zeit auch ein Thema beschäftigen, das, wie sich im Verlauf der Pandemie gezeigt hat, gerade bei Kindern und Jugendlichen, mit vielen Ängsten behaftet zu sein scheint: das Impfen.

So sind seit Dienstag mobile Impfteams an den Schulen im Land unterwegs, um zunächst Schüler*innen ab 16 Jahren ein Impfangebot zu unterbreiten. Nachdem die Ständige Impfkommission nach langer Prüfung am Montag die Empfehlung ausgesprochen hat, generell alle Kinder und Jugendliche in der Altersgruppe von zwölf bis 17 zu impfen, sollen die entsprechenden Angebote an Schulen nun zügig ausgebaut werden.

Und natürlich geht es in diesem Schuljahr auch darum, die Lerndefizite anzugehen, die sich in den vielen Monaten der coronabedingt eingeschränkten Unterrichtsmöglichkeiten angehäuft haben. Wie konkret es um den Wissensstand der Schüler*innen bestellt ist, wird derzeit durch sogenannte Lernstandserhebungen ermittelt.

Schließlich bewerkstelligt werden soll die Bildungsaufholjagd dann mit dem Aktionsprogramm »Stark machen und Anschluss sichern«, für das Bundes- und Landesgelder in Höhe von 38 Millionen Euro bereit stehen. Zu dem Programm gehören unter anderem zusätzliche Fördermaterialien, die Schulen bestellen können, die Möglichkeit, dass Lehramtsstudierende und ehemalige Lehrkräfte wie bisher schon zur Unterstützung eingesetzt werden können, oder auch ein Budget, um damit »externe Unterstützungskräfte« etwa für zusätzliche Förderangebote an die Schulen holen zu können.

Soweit ein Teil der Herausforderungen, die sich unmittelbar aus der Pandemie ergaben und weiter ergeben. Doch geht es zu Beginn dieses Schuljahres - und zwar in größerem Ausmaß als sonst üblich - auch um Grundsätzliches. Um Probleme, die durch die Krise zwar verschärft, mit denen Mecklenburg-Vorpommern aber schon zuvor zu kämpfen hatte. Schließlich ist Landtagswahlkampf und die Bildungspolitik das politische Feld, das dank des Föderalismus von den Ländern weitestgehend allein beackert und -stellt wird.

Im Nordosten ist als Bildungsministerin dafür seit Mai 2019 Bettina Martin (SPD) verantwortlich, die mit Beginn des neuen Schuljahrs den Schüler*innen und Lehrkräften nicht nur einen guten Start wünschte, sondern auch betonte, was Gutes ihr Ministerium alles geleistet habe. Zum Beispiel sind da 657 neue Lehrer*innen. »Noch nie wurden in Mecklenburg-Vorpommern zum ersten Schultag so viele neue Lehrkräfte eingestellt wie in diesem Jahr. Mit den Neueinstellungen können wir die Kontingentstundentafel, die notwendige Unterrichtsversorgung, an unseren Schulen absichern«, freute sich Martin. Auch, dass bei den Einstellungen der Anteil der ausgebildeten Lehrkräfte im Vergleich zu Seiteneinsteiger*innen (30 Prozent im vergangenen, 20 Prozent in diesem Jahr) angestiegen ist, oder das mit dem Doppelhaushalt 2020/21 aufgelegte »200-Millionen-Euro-Schulpaket« werden als Erfolge aufgeführt.

Ohne freilich, für derlei Fortschrittsmeldungen allzu großen Beifall der Gewerkschaften oder Opposition ernten zu können. So zeigte sich die Gewerkschaft Erziehung und Wissenschaft (GEW) zwar grundsätzlich erfreut über die Einstellungen, mahnte gleichzeitig aber weitere Schritte an: »Zunächst klingt die Absicherung der Kontingentstundentafel, des Kernunterrichts, gut und ist wichtig. Das reicht aber nicht flächendeckend für notwendige pädagogische Maßnahmen wie die Teilung von Gruppen, die individuelle Förderung oder die Sicherung der Ganztagsschule«, so die GEW-Landesvorsitzenden Annett Lindner und Maik Walm. Auch sei das Lehrpersonal an den Schulen zu knapp bemessen wie »Rückmeldungen der Kolleginnen und Kollegen über ihre eigene Arbeitsbelastung genauso wie die regelmäßigen Aufstellungen über Ausfall und Vertretung in der Unterrichtsversorgung« zeigten.

In die gleiche Kerbe schlug auch Simone Oldenburg, Vorsitzende und bildungspolitische Sprecherin der Linksfraktion im Landtag sowie Spitzenkandidatin der Linken: »Allein die Kontingentstundentafel mit dem vorhandenen Personal abzusichern, kann und darf noch lange nicht Anlass für Zufriedenheit sein.« Zu Recht kritisiere die GEW, »dass die Förderung von Schülerinnen und Schülern sowie der notwendige Ausbau der Unterrichtsangebote mit dem aktuellen Personalbestand nicht ohne Mehrarbeit möglich ist«, so Oldenburg.

Herausforderung Lehrkraftsuche
Bildung in den Wahlprogrammen von SPD, CDU, Grünen und Linkspartei

In der Wahrnehmung der Wähler*innen dürfte Martins Erfolgsgeschichte auch durch einen Vorfall mindestens relativiert worden sein, der gut eine Woche nach Schulstart für Schlagzeilen sorgte. So waren Mails des Bildungsministeriums an drei Schulämter bekannt geworden, in denen diese gebeten wurden, die Meldung von mehr als 100 unbesetzten Lehrer*innenstellen, die ironischerweise am Tag nach Martins Verkündung der Rekordeinstellungen erfolgte, zumindest vorerst zu reduzieren.

Das Bildungsministerium erklärte, man bedauere »diesen Fehler durch falsche Kommunikation«, die Mails seien ohne Wissen der Ministerin versandt und die Schulämter mittlerweile gebeten worden, die Stellen ohne Zeitverzug auszuschreiben. Für die Linke hingegen sind die Mails ein handfester Skandal und Ausdruck einer Kontinuität des Schönrechnens: »Jahrelang wurde getrickst und geschummelt, um die Zahl der offenen Stellen möglichst gering darzustellen«, kommentierte Simone Oldenburg die Mails. »Offenbar reicht der Griff in die Trickkiste nicht mehr aus. Jetzt haben wir es mit einer Aufforderung zum Lügen und Betrügen zu tun - allein um die schönen PR-Aktionen von SPD-Bildungsministerin Bettina Martin nicht zu ruinieren.«

Doch nicht nur von links wird der Bildungspolitik im Nordosten kein gutes Zeugnis ausgestellt. Ganz aktuell ist dies auch durch die Ergebnisse des Bildungsmonitors 2021, der am Mittwoch präsentiert wurde, der Fall. In diesem jährlichen Vergleich der Bildungssysteme der Bundesländer, der im Auftrag der durch Arbeitgeberverbände finanzierten Lobbyorganisation Initiative Neue Soziale Marktwirtschaft vom Institut der deutschen Wirtschaft erstellt wird und »explizit eine bildungsökonomische Sichtweise« einnimmt, landet Mecklenburg-Vorpommern auf Platz neun.

Zu den Defiziten zählt die Studie dabei unter anderem »die unausgewogene Altersstruktur der Lehrer« auf, an den allgemeinbildenden Schulen weise Mecklenburg-Vorpommern hier den »drittschlechtesten Wert aller Bundesländer auf«. Anlass auch für Kritik aus der Wirtschaft: »Die anstehende Pensionierungswelle bei den Lehrkräften gefährdet das Schulsystem und die Berufsbildung in Mecklenburg-Vorpommern. Das Problem ist schon lange bekannt, aber die Landesregierung steuert seit Jahren sehenden Auges in ein riesiges Problem«, so Peter Golinski, Geschäftsführer Bildung und Arbeitsmarkt der Arbeitgeberverbände Nordmetall und AGV Nord.

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