Klassen-, nicht Generationenfrage

Die Linke setzt in der Rentenpolitik auf einen früheren Eintritt in den Ruhestand und solidarische Finanzierung

  • Martin Höfig
  • Lesedauer: 3 Min.

Mit Verweis auf die Nachbarländer Österreich und Niederlande betont die Linkspartei die Finanzierbarkeit höherer Renten auch in Deutschland. »In den Niederlanden gibt es mit 1218 Euro für alle eine Mindestrente, die diesen Namen verdient«, sagte Fraktionschef Dietmar Bartsch bei der Vorstellung des Rentenkonzepts seiner Partei am Montag. Eine solche sei auch in der Bundesrepublik finanzierbar, wenn alle einzahlten. »Auch Politiker*innen und Beamt*innen«, betonte Bartsch.

Mit Blick auf zweitgenannte Berufsgruppe räumte Bartsch ein, dass deren Überführung eine Herkulesaufgabe sei. »Aber man muss eben endlich damit beginnen, das anzugehen«, stellte er klar. Scharfe Kritik äußerte der Linke-Spitzenkandidat zur Bundestagswahl auch an der scheidenden Kanzlerin. »Bereits nach ihrem ersten Amtsantritt im Jahr 2005 hat Frau Merkel versprochen, dass die Ostrenten angeglichen werden. Wir haben jetzt 2021 und es ist immer noch nicht geschehen«, monierte Bartsch. Die Linke behalte auch dieses Thema weiterhin auf der Agende, fügte er hinzu.

Seine Ko-Spitzenkandidatin für die anstehende Bundestagswahl, Janine Wissler, griff vor allem die neuerliche Erhöhung des Renteneintrittsalters an. Diese Debatte sei völlig daneben und ein Schlag ins Gesicht all jener, die durch ihre harte Arbeit das System überhaupt am Laufen hielten. »Die Rücknahme der Rente mit 67 wäre die richtige Wertschätzung für den Pfleger, die Kassiererin oder den Bauarbeiter - nicht deren bloß symbolisches Beklatschen«, sagte Wissler. Konkret fordert die Linke, ab 65 Jahren abschlagsfrei in Rente gehen zu können, sowie bereits mit 60 bei 40 Beitragsjahren.

Diese Forderungen werden durch aktuelle Statistiken untermauert, nach denen fast 15 Prozent aus den genannten oder ähnlichen Berufsgruppen vor ihrem 65. Geburtstag sterben. Weitere 22,5 Prozent gingen momentan mit Abschlägen in den Ruhestand. »Die gesetzliche Rente wurde in den vergangenen Jahren systematisch destabilisiert«, konstatierte Wissler. Deshalb sei das Thema für die Linke ein entscheidendes im Wahlkampf - es gehe darum, die gesetzliche Rente wieder zu stärken. Konkret setzt sich die Linkspartei für eine solidarische Mindestrente in Höhe von 1200 Euro für alle ein. »Die jetzige Grundrente ist weit davon entfernt, vor Armut zu schützen«, so Wissler weiter. Und die Parteivorsitzende betonte außerdem, dass in der jetzigen Situation gerade Frauen von Altersarmut betroffen seien.

In ihrer Kritik an den Begründungen der Regierungskoalitionen der vergangenen Jahre und Jahrzehnte für diese Rentendestabilisierung wurde die Linke-Spitzenkandidatin am Montag dann klassenkämpferisch: »Uns wurde jahrelang der Unsinn eines angeblichen Generationenkonflikts in der Gesellschaft erzählt. Doch es geht auch bei der Rente um oben und unten, um Verteilung, und nicht um jung gegen alt«, so Wissler. Und dass die anderen Parteien in diesem Wahlkampf die Rente nicht groß zum Thema machten, liegt laut Wissler daran, dass sie dabei Fehler korrigieren müssten. »Das wollen sie nicht und deshalb ducken sie sich weg«, beschrieb sie diese Leerstelle in der politischen Auseinandersetzung. »Und wenn sie was zur Alterssicherung vorschlagen wie die FDP, dann hat das mit Sicherung nichts zu tun«, setzte sie noch hinzu.

Gemäß der Rollenverteilung des Spitzenduos der Linken gab sich Bartsch mit Blick auf die anderen Parteien versöhnlicher. Er sei zuversichtlich, dass in der kommenden Legislaturperiode eine solche wie von der Linken umrissene Rentenreform angegangen werden könne. »Denn es gibt bei SPD, Grünen und sogar der FDP eine gewisse Offenheit demgegenüber«, meinte Bartsch. Konkret wurde er in diesem Punkt aber nicht.

Doch auch Bartsch hatte am Montag seine kämpferischen Momente. So nannte er es einen »inakzeptablen Zustand«, dass jeder Dritte hierzulande eine Rente unter 1 000 Euro erhalte. Und als »skandalös« befand er, dass Verkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) für seine vierjährige Tätigkeit als Bundesminister eine Rente von 4500 Euro erwarte. »Dafür müsste eine Pflegekraft in diesem Land 155 Jahre arbeiten«, rechnete Bartsch vor. Und er setzte rhetorisch noch einen drauf: »Diese Schieflage ist Wahnsinn und niemandem mehr erklärbar.«

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