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Auch Linke für Mission der Luftwaffe in Kabul

Große Mehrheit im Bundestag für Evakuierungseinsatz der Bundeswehr in Afghanistan. Opposition übt scharfe Kritik an Regierung

Die Stimmen der Linkspartei waren bei der Abstimmung über die Rettungseinsätze aus Kabul, die die deutsche Luftwaffe bereits seit Mitte August fliegt, für die Genehmigung des Einsatzes nicht von entscheidender Bedeutung. Die Große Koalition unterstützte das Mandat geschlossen, die Mehrheit der Abgeordneten von Grünen und FDP ebenfalls. In der Linken berührt das Abstimmungsverhalten das Selbstverständnis der Partei. Viele Genossen sehen ihre friedenspolitischen Grundsätze in Gefahr, etliche von außerhalb des Bundestages forderten eine Ablehnung des Einsatzes. Dagegen plädierten andere für eine Unterstützung der Mission durch die Linke.

Prominenteste Vertreterin der letztgenannten Position ist die Berliner Sozialsenatorin Elke Breitenbach, die am Dienstag in einem offenen Brief an ihre Genossen in der Bundestagsfraktion appelliert hatte, für das Bundeswehrmandat zu stimmen. Sie könne zwar die Empfehlung des Bundesvorstandes nachvollziehen, sich bei der Abstimmung zu enthalten. In der aktuellen Situation komme es aber auf jede gerettete Person an. Es handle sich bei der Operation nicht um einen »Kampfeinsatz, sondern um eine humanitäre Verpflichtung nach dem von uns immer kritisierten und aus guten Gründen nie mitgetragenen Afghanistan-Einsatz der Bundeswehr«, schrieb Breitenbach. Mit ihm würden »keine geopolitischen oder wirtschaftlichen Interessen verfolgt«, es finde keine Beteiligung an einem Krieg statt und es gehe »nicht um Aufrüstung und Militarisierung«. Zudem zeigten die ersten Erfahrungen mit dem Einsatz, dass auch Menschen mitgenommen worden seien, die nicht die formalen Vorgaben des Auswärtigen Amtes erfüllten.

Am Ende enthielten sich die meisten Linke-Abgeordneten dennoch bei der Abstimmung. Sieben Parlamentarier der Partei votierten gegen den Einsatz, weil sie in ihm, anders als Breitenbach, doch eine Fortsetzung der Militarisierung der Außenpolitik sehen - und weil nach wie vor nur eine sehr kleine Gruppe von Menschen zur Ausreise mit Bundeswehrmaschinen berechtigt ist. Fünf Abgeordnete der Linken stimmten für den Einsatz, unter ihnen der Verteidigungsexperte Matthias Höhn. Er begründete seine Zustimmung bereits zuvor gegenüber dem Bayerischen Rundfunk damit, dass derzeit in Afghanistan keine humanitäre Hilfe ohne militärische Unterstützung möglich sei. Er verstehe aber die Enthaltungsempfehlung, denn die Kritik an der Organisation der Evakuierung sei berechtigt.

Scharfe Kritik am Abstimmungsverhalten der Linken kam nicht nur von Politikern von Union und SPD, die ihr Heuchelei vorwarfen, sondern auch von Vertretern der oppositionellen Grünen. Grünen-Politiker Cem Özdemir stellte gegenüber der »Welt« erneut die Regierungsfähigkeit der Linken in Frage. Mit ihrem »erratischen Abstimmungsverhalten« verbaue sie sich »außenpolitische Handlungsfähigkeit und läuft vor der Verantwortung davon«. Es sei ihm »unbegreiflich«, dass sich die Partei selbst bei einer Rettungsmission enthalte. SPD-Außenpolitiker Nils Schmid sagte dem Blatt, es sei »extrem enttäuschend, dass die Linke einerseits den Schutz von den Taliban bedrohter Menschen in Afghanistan fordert und sich dann verweigert, dass diesen Menschen auch geholfen wird«. »Diese erneute Verweigerungshaltung der Linken auf außenpolitisch hochbrisantem Feld macht eine Annäherung und Überlegungen künftiger Koalitionen nicht einfacher.« Jüngsten Umfragen zufolge könnte ein Linksbündnis aus SPD, Grünen und Linken bei der Bundestagswahl zusammen auf eine Mehrheit kommen.

Übereinstimmend machten Linke, Grüne und FDP am Mittwoch die Bundesregierung für das Scheitern der insgesamt 20 Jahre währenden Einsätze der Bundeswehr verantwortlich. Sie forderten Aufklärung über die Verantwortung der einzelnen Regierungsmitglieder und sprachen sich für die Einsetzung eines parlamentarischen Untersuchungsausschusses aus, der das Regierungsversagen aufarbeiten solle. Dagegen schlug SPD-Fraktionschef Rolf Mützenich eine Enquetekommission vor. Eine solche hätte weniger Möglichkeiten, Akten einzusehen und Zeugen zu befragen.

Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) hatte zu Beginn der Aussprache die späte Entscheidung zur Evakuierung von Helfern deutscher Entwicklungsorganisationen verteidigt. Hätte man früh mit dem Abzug der Mitarbeiter von Hilfsorganisationen begonnen, wäre das von einigen vielleicht begrüßt, von anderen als Im-Stich-Lassen gewertet worden, sagte Merkel in ihrer Regierungserklärung. Merkel verteidigte zudem den Stopp der Entwicklungszusammenarbeit mit Afghanistan. Dennoch wolle die Staatengemeinschaft sich dafür einsetzen, dass möglichst viel von dem bewahrt werde, was durch den 20-jährigen Einsatz in Afghanistan »für die Menschen erreicht« worden sei. Dafür seien auch Gespräche mit den Taliban nötig.

FDP-Chef Christian Lindner kritisierte, es hätten Hunderte Menschen mehr evakuiert werden können, wenn man früher damit begonnen hätte. Jetzt aber stehe die Linderung von Leid im Zentrum. Lindner forderte, Flüchtlinge aus Afghanistan müssten vor allem in den Nachbarländern versorgt werden. Dafür müssten die internationalen Hilfen verstärkt werden. Lindner und Grünen-Chefin Annalena Baerbock sprachen sich für einen internationalen Afghanistan-Gipfel aus und appellierten an Merkel, hierfür die Initiative zu ergreifen. Baerbock warf der Regierung vor, ihrer Verantwortung nicht gerecht geworden zu sein und stattdessen bis fast zuletzt an Abschiebungen nach Afghanistan festgehalten zu haben. Linke-Fraktionschef Dietmar Bartsch nannte es »kurzsichtig, kaltherzig und verantwortungslos«, dass die Regierung nicht bereits im Frühjahr mit den Evakuierungen begonnen habe.

AfD-Fraktionschef Alexander Gauland sagte, es dürfe nur für eine dreistellige Zahl von Ortskräften Asyl geben, die für die Deutschen gearbeitet haben, »aber für niemanden darüber hinaus«.

Die Linke-Abgeordnete Ulla Jelpke, die zu den Abgeordneten gehört, die gegen den Einsatz stimmten, hatte vor der Abstimmung moniert, in der aktuellen Afghanistan-Debatte komme zu kurz, dass die Bundesregierung nicht nur für Ortskräfte, sondern auch für Familienangehörige von bereits in Deutschland lebenden afghanischen Geflüchteten verantwortlich ist. Das SPD-geführte Auswärtige Amt habe den Familiennachzug über Jahre verschleppt und massiv behindert, viele Angehörige warteten »bereits seit zwei Jahren allein auf einen Konsulatstermin zur Vorsprache in Islamabad oder Neu-Delhi, die Visastelle in Kabul ist seit 2007 geschlossen«. Derzeit warteten »mehr als 3000 Afghanen und Afghaninnen auf einen Termin zur Beantragung eines Visums zur Familienzusammenführung an den Botschaften in Islamabad und Neu-Delhi«.

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