Kellogg’s ohne Tiger auf der Packung

Foodwatch Deutschland entlarvt mit aktueller Studie krankmachende Snacks für Kinder

  • Martin Höfig
  • Lesedauer: 4 Min.

»Ein Verbot von an Kinder gerichteter Werbung für ungesunde Lebensmittel ist längst überfällig«, sagte Barbara Bitzer, Sprecherin der Deutschen Allianz Nichtübertragbare Krankheiten (DANK), am Mittwoch in Berlin. Anlass war die gemeinsame Vorstellung einer Studie von Foodwatch Deutschland, die laut Angaben fast 300 beworbene Lebensmittel von Nestlé, Kellogg’s und ähnlichen Konzernen auf ihre Nährwertangaben hin untersucht. »Die Ergebnisse der Studie sind erschreckend und beschämend und bestätigen einmal mehr: Die Strategie der freiwilligen Zuckerreduktion ist gescheitert«, machte Bitzer klar.

Bislang verpflichten sich Lebensmittelkonzerne auf freiwilliger Basis sowohl zur Reduzierung ungesunder Stoffe als auch zur Selbstregulierung beim Kindermarketing. Dementsprechend stellte sich Foodwatch für die Studie die Frage: »Haben diese freiwilligen Selbstverpflichtungen dazu geführt, dass Essen für Kinder gesünder geworden ist und auch nur noch gesundes Essen für Kinder beworben wird?« Nichts dergleichen sei der Fall, konstatierte Foodwatch-Kampagnendirektor Oliver Huizinga. »Im Gegenteil ist die Werbeintensität seit unserer letzten Studie 2015 noch mal um 29 Prozent gesteigert worden«, so Huizinga.

Und auch die Lebensmittel selbst haben sich seit 2015 kaum verbessert. Die entsprechenden Angaben der Hersteller wurden mit dem Nährwertprofilmodell der Weltgesundheitsorganisation (WHO) verglichen, mit dem Ergebnis, dass rund 85,5 Prozent der untersuchten Kinderprodukte die Nährwertempfehlung der WHO nicht erfüllen. 2015 traf dies zwar noch auf 89,7 Prozent der Produkte zu, doch trotz des Versprechens der freiwilligen Selbstregulierung ist der Wert bis heute also nahezu derselbe geblieben.

Bundesernährungsministerin Julia Klöckner (CDU) und die entsprechenden Unternehmen argumentieren unisono, dass sie doch in den vergangenen Jahren zum Beispiel Zucker in den Produkten reduzieren. »Das stimmt ja auch«, sagte Huizinga dazu. Fügte aber mit einem bitteren Lachen an: »Nur enthalten die Snacks trotz Zuckerreduktion immer noch mehr als doppelt soviel, wie die WHO vorgibt.«

Am Beispiel von Danone erläuterte der Foodwatch-Kampagnendirektor, dass dieses Unternehmen von ehemals 90 Prozent ungesunden Produkten heute »nur« noch 60 Prozent davon auf den Markt wirft. »Aber das sind eben immer noch weit mehr als die Hälfte«, betonte er. Und während Danone sich für diese Entwicklung selbst auf die Schulter klopft, kommentierte Huizinga die Situation mit den Worten: »Unter den Blinden ist der Einäugige König.«

Konkreter benannte Berthold Koletzko, Vorsitzender der Stiftung Kindergesundheit an der Kinderklinik der Universität München und einer der führenden Wissenschaftler für Kinderernährung weltweit, die Missstände bei der auf Kinder abzielenden Werbung. »Kindermarketing macht die Kinder krank«, sagte er klipp und klar. Denn es erhöhe den Verzehr ungesunder Lebensmittel bei den Jungen und Mädchen, die nach wie vor viel zu viele Süßigkeiten und zu wenig Obst und Gemüse äßen. »Und diese Entwicklung nimmt seit 20 Jahren stetig zu«, betonte Koletzko.

Perfide bei der auf Kinder abzielenden Werbung ist zudem, dass die Minderjährigen bis zum vierten Lebensjahr Werbung nicht vom Programm im Fernsehen unterscheiden könnten, erklärte der Ernährungswissenschaftler. Und auch darüber hinaus, bis zum achten Lebensjahr hätten Kinder noch kein Bewusstsein für die Manipulationsstrategien der Werbung. »Deshalb brauchen wir verpflichtende Werbebeschränkungen. Die Freiwilligkeit, auf die die Bundesregierung hier setzt, reicht nicht aus«, machte demzufolge auch Koletzko deutlich.

Wie es besser gehen kann, zeigen Länder wie Chile, Portugal und auch Großbritannien. So tritt beispielsweise auf der britischen Insel gerade eine Regelung in Kraft, nach der ab 2022 TV-Werbespots für ungesundes Essen nur noch spätabends ausgestrahlt werden dürfen. Und in Chile betrifft eine solche Regelung schon länger alle Kanäle - auf Verpackungen, im Fernsehen und im Internet darf dort nicht mehr auf Kinder abzielend für ungesunde Snacks geworben werden. So finden sich zum Beispiel keine bunten Comic-Figuren mehr auf den Verpackungen.

Ein gesetzliches Werbeverbot für ungesunde Produkte für Kinder zu fordern ist offenbar vorerst der einfachere Hebel zum Gesundheitsschutz. Auf Nachfrage, warum die Initiator*innen der Studie vor allem darauf setzen, statt auf gesündere Lebensmittel überhaupt, antwortete Koletzko: »Das geht erst mal nur über mehr Aufklärung in der Bevölkerung, und diese erreicht eben leider nur einen Teil - nämlich den gebildeten Mittelstand. In den unteren Schichten kommt das leider nicht so an, weshalb ein gesetzliches Werbeverbot, das in anderen Ländern ja schon seine Wirksamkeit zeigt, erst mal die beste Lösung wäre.« Barbara Bitzer von DANK hatte noch eine weitere Idee: »Wir könnten ungesunde Produkte auch stärker, Obst und Gemüse dafür weniger besteuern.«

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