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Gegründet, um zu bleiben
Der frisch gewählte Gründungsvorstand der nd-Genossenschaft beginnt mit der Arbeit
Matthias Ritter schnitt als Siebenjähriger Bilder und Texte aus dem »Neuen Deutschland« aus und bastelte sich Wandzeitungen daraus. Was er da noch nicht wusste: Das »nd« würde in seinem Leben noch eine große Rolle spielen. Im Studium bezog er die Zeitung im Abo, wie er sagt, aber mehr aus Solidarität: »Gelesen hab ich sie ehrlich gesagt nicht immer. Aber mir war es wichtig, dass es das ›nd‹ gibt.« Das Jurastudium brach er ab und wurde stattdessen Erzieher. Seine berufliche Endstation war das noch nicht. Sein Talent, gut mit Menschen sprechen zu können, zog ihn in ein Callcenter. Dieses hatte diverse Zeitungen als Kunden, in dessen Auftrag die Angestellten Abos werben und Kunden betreuen. Matthias landete im Projekt »neues deutschland«, er telefonierte also fortan im Auftrag des »nd«. Die Kommunikation zwischen den Kunden, dem »nd« und ihm lief wie geschmiert. Ihm wurde eine Stelle im »nd« angeboten - ein Fall von »Insourcing« statt der klassischen Auslagerung an externe Dienstleister. 2007 war das.
Über diese Arbeit hinaus engagiert sich der 45-Jährige Union-Fan im Betriebsrat und seit März dieses Jahres in der Gruppe, die die Genossenschaftsgründung vorbereitet, also ein Wirtschaftskonzept schreibt und die Satzung erstellt. »Ich konnte dazu beitragen, das ›nd‹ zu retten und einen Großteil der Arbeitsplätze zu sichern.« Matthias strahlt. »Das ist etwas, an das ich immer wieder denke und was sich noch unwirklich anfühlt.«
Seit dem 14. August kommt für den Mann aus der Aboverwaltung eine weitere Aufgabe hinzu, die ebenfalls mit der Genossenschaft zu tun hat: Er wurde mit Ines Wallrodt und Georg Ramsperger in den Gründungsvorstand der nd-Genossenschaft gewählt. Das heißt, sie sind als Dreiergremium nun für den weiteren Prozess der Genossenschaftsgründung verantwortlich - tragen die erforderlichen Unterlagen zusammen, reichen diese beim Genossenschaftsprüfverband ein und leiten so die Prüfung und die Eintragung in das Genossenschaftsregister ein. Ihre Amtszeit beträgt vorerst nur ein paar Monate, denn erst in der ersten Generalversammlung nach erfolgreicher Prüfung wird der Vorstand auf drei Jahre gewählt, wie es in der Satzung vorgesehen ist.
Beraten und überwacht werden sie vom Gründungsaufsichtsrat. Dieser besteht aus Jana Frielinghaus, Ressortleiterin Politik, Daniela Schmidtke aus dem Marketing und Politikredakteur Daniel Lücking.
An der Seite von Matthias Ritter steht Georg Ramsperger. Der Layouter wurde von Kollegen und Kolleginnen angesprochen, ob er sich bei den Vorbereitungen zur Genossenschaftsgründung einbringen will. Sein beruflicher Werdegang ist vielfältig: Er arbeitete im Rettungsdienst, in einem Fahrradgeschäft, als Fahrradkurier und machte dann eine Ausbildung zum Mediengestalter. Georg layoutete eine Wochenzeitung, bevor es ihn zum ›nd‹ verschlug. Sein Engagement für die Genossenschaft begründet er damit, dass das »nd« in der Presselandschaft eine wichtige Stimme sei. »Es war keine Option, die Zeitung zu beerdigen.« Im Genossenschaftsprozess hat er sich von Beginn an aktiv eingebracht, war auch Teil der Vorbereitungsgruppe. Wichtig war ihm dabei Pragmatismus. So entschlossen er auch wirkt, Fragen nach seiner Person machen ihn verlegen: »Kannst du nicht einfach schreiben, dass ich 46 Jahre und tierlieb bin?«
Was ihm hingegen nicht schwerfällt, ist, über die Genossenschaft zu sprechen. »Ich halte es für eine große Chance und freue mich auf die Zeit als Genossenschaft«, sagt Georg, »insbesondere auf die Selbstverwaltung und die Möglichkeit, die Dinge nun eigenständig in die Hand nehmen zu können.«
Die Dritte im Bunde ist Ines Wallrodt. Sie ist seit 2006 beim »nd«. Nach ihrem Germanistik-, Politikwissenschafts- und Publizistikstudium fing sie ein Volontariat bei der Zeitung an und wurde 2008 Politikredakteurin mit dem Schwerpunkt Außerparlamentarisches. Ab 2017 lag ihr Fokus auf der Berichterstattung über Gewerkschaften. In ihrer Zeit als Redakteurin gab es drei längere Unterbrechungen, in denen sie in Kanada war und zwei Kinder bekam. Seit Juli 2020 ist sie Teil der Chefredaktion und nun Gründungsvorstandsmitglied. Über ihre neue Aufgabe sagt sie: »Wir alle haben natürlich Bammel vor der riesigen Verantwortung. Aber wegdrücken geht nicht, dafür ist das ›nd‹ als linke Zeitung zu wichtig.«
Das »Neue Deutschland« kannte sie schon in Kindertagen und später als Medium, das über Aktionen des Jugendverbands, in dem sie Mitglied war, regelmäßig berichtete. Das politische Profil der Zeitung führte dazu, dass sie sich schließlich auch dort bewarb: »Ich wollte immer einen Job, bei dem Politik eine Rolle spielt und bei dem ich mich mit meiner politischen Einstellung nicht verbiegen muss.«
Ines Wallrodt hat eine anpackende und gleichzeitig empathische Art. Dass sie den Gründungsprozess so aktiv mitgestaltet und sich auch nach Feierabend Zeit für Gespräche und Nachfragen nimmt, kommt bei den Kolleginnen und Kollegen gut an. Ihr Engagement wird gewürdigt: Bei den Wahlen zum Vorstand erhielt sie die meisten Stimmen.
Noch eine Aufgabe mehr, die die 44-Jährige mit der Arbeit in der Redaktion, Familie und Freunden unter einen Hut bringen muss. Auch ihre Vorstandskollegen haben Kinder im Alter zwischen fünf und zwölf Jahren. Es wird eine große Herausforderung, alles zu vereinbaren. Sie sehen es so: Dass die Genossenschaft Bedingungen schafft, in dem das gelingen kann, daran muss sich das selbstverwaltete »nd« messen lassen.
Redaktion, Herstellung, Vertrieb: Dass die drei Vorstandsmitglieder aus unterschiedlichen Bereichen kommen, sehen sie als Vorteil. Denn so werden verschiedene Perspektiven eingebracht. Ihre Antwort auf die Frage, warum sie für den Vorstand kandidiert haben, klingt hingegen bei allen drei ähnlich: Sie haben sich in den letzten Wochen tief in die Materie eingearbeitet und fühlen sich nun verantwortlich, alles zu einem guten Ende zu führen.
Und das soll dann auch ordentlich gefeiert werden. Nach all den Anstrengungen, in wenigen Monaten eine Genossenschaft auf den Weg zu bringen, wollen sie - sowie der Prüfverband grünes Licht gegeben hat - im Winter zu einem Gründungsfest einladen. »Es gibt ja sonst nicht viel Grund zum Feiern«, sagt Neuvorstand Ines.
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