SPD killt das nächste Öko-Gesetz

Klimaschutz-Novellierung der Berliner Bauordnung im Parlament gescheitert

  • Nicolas Šustr
  • Lesedauer: 3 Min.

»Das ist ein echter Rückschlag für den Klimaschutz«, sagt Tilmann Heuser zu »nd«. Der Geschäftsführer des Umweltverbandes BUND Berlin meint die Novelle der Berliner Bauordnung, die von der SPD-Fraktion kurz vor der geplanten Beschlussfassung an diesem Mittwoch im Stadtentwicklungsausschuss des Abgeordnetenhauses abgesagt worden ist.

»Die Genossen von der SPD haben die Novelle nach zwei Jahren Gesprächen und Ausarbeitungen einfach platzen lassen«, sagt Michail Nelken, baupolitischer Sprecher der Linksfraktion verärgert zu »nd«. »Und das, nachdem wir alles geeint hatten und uns sogar noch auf einen Änderungsantrag verständigt hatten«, so Nelken weiter. »Es ist die große Betonwende der SPD«, sagt er bitter. Die Links- und die Grünenfraktion hatten bereits der Novelle zugestimmt.

Die Vermutung ist nicht von der Hand zu weisen: Erst vor wenigen Tagen zerschlugen sich auch die Hoffnungen, dass das Mobilitätsgesetz in dieser Legislaturperiode vollendet werden kann. Die Verhandlungen über das Kapitel »Neue Mobilität« endeten am späten Dienstagabend der Vorwoche ergebnislos. Grüne und Linke sagen, dass die SPD keine Aussagen zur Reduzierung des Autoverkehrs in dem Text akzeptieren wollte. Von der SPD wird behauptet, dass die Grünen nicht die Forderung einer »verbindlichen Befragung« beim Einzug von Straßenland akzeptieren wollten. Die Blockade passt jedenfalls zu den Wahlkampfaussagen von SPD-Spitzenkandidatin Franziska Giffey, die Verbote für die Verkehrswende ablehnt.

Die baupolitische Sprecherin der SPD, Iris Spranger, begründet gegenüber »nd« die Ablehnung der Bauordnungsnovelle mit »vernichtender Kritik« der Bezirke wegen fehlenden Personals für die Ausführung, außerdem habe die Stadtentwicklungsverwaltung das Gesetz viel zu spät vorgelegt. Der Schritt sei mit der Fraktion abgestimmt. Der Lichtenberger Baustadtrat Kevin Hönicke (SPD) sekundiert bei Twitter, die »Ablehnung ist fachlich begründet«.

»Das ist alles Quatsch«, entgegnet Michail Nelken. »Die Sache mit den Bezirken ist nicht der Punkt, sondern die Intervention der Bau- und Immobilienbranche«, vermutet der Linke-Politiker.

Mitte August hatten angesichts der anstehenden ersten Lesung der Novelle im Abgeordnetenhaus die großen Wirtschafts- und Immobilienverbände die Vorgaben kritisiert, weil »Bauen in Berlin durch die Änderungen noch teurer, langwieriger und schwieriger wäre«. Kritisiert wurde beispielsweise die geforderte Begrünung von Dächern von Neubauten und Bestandsgebäuden bei anstehenden Sanierungen, weil dies die Kosten um bis zu 20 Prozent erhöhen würde. Auch, dass der Anteil barrierefreier Wohnungen in Neubauten von der Hälfte auf zwei Drittel steigen sollte, wurde als übertrieben dargestellt.

»Die Funktionäre der Bauwirtschaft sind weiter hinter dem Mond, als ich dachte«, sagte Grünen-Baupolitiker Andreas Otto damals. Wer im Sommer 2021 die Begrünung von Dächern zum Auffangen von Regenwasser und der Kühlung der Stadt ablehne, habe offenbar die Zeichen der Zeit nicht erkannt.

Die Beerdigung der Gesetzesnovelle sei »sehr bitter, weil wesentliche ökologische Punkte und auch die Baubeschleunigung durch Typenbaugenehmigungen jetzt nicht mehr zustande kommen«, sagt Otto heute. Die Begrünung von Dächern und Fassaden, die Kreislaufwirtschaft beim Bauabfall oder der Schutz von Gebäudebrütern kämen nun nicht in das Gesetz.

CDU und FDP begrüßen einhellig die Absage der Novelle. »Man nimmt wahr, dass die SPD sich an neuen Partnern orientiert«, sagt dazu Andreas Otto zu »nd«.

Werde Mitglied der nd.Genossenschaft!
Seit dem 1. Januar 2022 wird das »nd« als unabhängige linke Zeitung herausgeben, welche der Belegschaft und den Leser*innen gehört. Sei dabei und unterstütze als Genossenschaftsmitglied Medienvielfalt und sichtbare linke Positionen. Jetzt die Beitrittserklärung ausfüllen.
Mehr Infos auf www.dasnd.de/genossenschaft
- Anzeige -

Das »nd« bleibt gefährdet

Mit deiner Hilfe hat sich das »nd« zukunftsfähig aufgestellt. Dafür sagen wir danke. Und trotzdem haben wir schlechte Nachrichten. In Zeiten wie diesen bleibt eine linke Zeitung wie unsere gefährdet. Auch wenn die wirtschaftliche Entwicklung nach oben zeigt, besteht eine niedrige, sechsstellige Lücke zum Jahresende. Dein Beitrag ermöglicht uns zu recherchieren, zu schreiben und zu publizieren. Zusammen können wir linke Standpunkte verteidigen!

Mit deiner Unterstützung können wir weiterhin:


→ Unabhängige und kritische Berichterstattung bieten.
→ Themen abdecken, die anderswo übersehen werden.
→ Eine Plattform für vielfältige und marginalisierte Stimmen schaffen.
→ Gegen Falschinformationen und Hassrede anschreiben.
→ Gesellschaftliche Debatten von links begleiten und vertiefen.

Sei Teil der solidarischen Finanzierung und unterstütze das »nd« mit einem Beitrag deiner Wahl. Gemeinsam können wir eine Medienlandschaft schaffen, die unabhängig, kritisch und zugänglich für alle ist.