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Urteil gegen eine Symbolfigur
Die bekannte belarussische Oppositionelle Maria Kolesnikowa wird in Minsk zu elf Jahren Haft verurteilt
Nachdem bereits im Juli mit Ex-Bankier Wiktor Babariko der wichtigste Widersacher des belarussischen Präsidenten Alexander Lukaschenko zu 14 Jahren Straflager verurteilt worden war, kam es an diesem Montag in Minsk zu einem weiteren brisanten Urteil gegen bekannte Oppositionelle: Maria Kolesnikowa, frühere Chefin von Babarikos Wahlstab, wurde zu elf Jahren Haft verurteilt. Der Anwalt Maxim Snak bekam zehn Jahre Haft. Beiden wird ein angeblicher Versuch der illegalen Machtergreifung zur Last gelegt. Hinzu kommen Vorwürfe wie die angebliche Bildung einer extremistischen Vereinigung.
Details der Anklage wurden im Laufe des weitgehend unter Ausschluss der Öffentlichkeit geführten Prozesses nur spärlich bekannt, was für heftige Kritik internationaler Menschenrechtsorganisationen wie Amnesty International sorgte. So mussten die Anwälte der beiden beispielsweise einer Geheimhaltungsvereinbarung zustimmen. Deren Bruch kann zum Entzug der Anwaltslizenz führen - früheren Anwälten der beiden Oppositionellen war genau das passiert. »Bei diesem Prozess ging es nicht nur um die Menschen, sondern um die Werte und Prinzipien, die diese Menschen verkörpern«, hieß es in einem Statement des Babariko-Wahlstabes zur Urteilsverkündung. »Und so ist dieses Urteil nicht nur gegen zwei Menschen, sondern vor allem gegen die Grundwerte gerichtet.«
Nach Babarikos Festnahme, der als aussichtsreichster Gegner Alexander Lukaschenkos bei der Präsidentschaftswahl im August 2020 kandidieren wollte, unterstützte Kolesnikowa zunächst die überraschend zur Wahl zugelassene Swetlana Tichanowskaja, Frau des verhafteten Bloggers und Präsidentschaftskandidaten Sergej Tichanowskij. Nach den umstrittenen Wahlen gehörten Kolesnikowa und Snak dann zum Präsidium des Koordinationsrates der belarussischen Opposition. Das Gremium habe Proteste organisiert und die Machtergreifung vorbereitet, hieß es in der Anklage. Kolesnikowa und Snak hätten sogar öffentlich zum Umsturz aufgerufen. Beweise dafür legte die Anklage nicht vor.
Maxim Snak war am 9. September 2020 im Wahlstab von Babariko festgenommen worden. Maria Kolesnikowa wurde zwei Tage zuvor im Stadtzentrum von Minsk vom Geheimdienst KGB entführt. Die Behörden wollten die bekannte Flötistin, die mehrere Jahre in Stuttgart lebte und fließend Deutsch spricht, zunächst in die Ukraine abschieben. Mit zwei anderen Lukaschenko-Gegnern wurde die 39-Jährige, zum damaligen Zeitpunkt die letzte noch in Belarus verbliebene Oppositionelle, zur Grenze mit dem Nachbarland gebracht.
Doch zwischen beiden Staaten zerriss Kolesnikowa ihren Pass, kletterte aus dem Autofenster und lief zur belarussischen Seite zurück. Dort wurde sie umgehend festgenommen - ohne Pass hatte sie keine Chance mehr auf eine Ausreise. Anschließend saß die Musiklehrerin rund ein Jahr in Untersuchungshaft. »Mir wurde mit Mord gedroht. Diese Drohungen nahm ich sehr ernst«, erklärte Kolesnikowa in einem Schreiben an das staatliche Ermittlungskomitee. »Insbesondere wurde mir gesagt, dass, wenn ich Belarus nicht freiwillig verlasse, sie trotzdem dafür sorgen - ob lebendig oder nicht.« In einem späteren Brief aus der Untersuchungshaft konkretisiert Kolesnikowa, Innenminister Gennadij Kasakewitsch habe ihr höchstpersönlich gedroht. Sollte sie Belarus nicht verlassen, werde sie zahnlos 25 Jahre hinter Gittern Hemden für Sicherheitsbeamte nähen.
Kolesnikowa und Snak genießen aufgrund ihres Engagements großes Ansehen bei vielen Belarussen. »Was Kolesnikowa getan hat, ist in das Gedächtnis jedes Belarussen eingraviert. Sie ist ein Vorbild und eine Inspiration«, sagte ihr Mitstreiter Anton Rodnenkow dem Auslandssender Deutsche Welle.
Im vergangenen Jahr wurde das Herzchen, das Kolesnikowa bei öffentlichen Anlässen mit ihren Hände formte, zum zentralen Symbol der Massenproteste gegen den Autokraten Lukaschenko. Mit der Geste wollten sie und ihre Mitstreiter ein Zeichen setzen: dass die Demonstrationen ausschließlich friedlich verlaufen sollen.
Seit Längerem gibt es in Belarus keine größeren Oppositionsaktionen mehr. Zu groß ist mittlerweile die Angst der Menschen vor politischer Verfolgung. »Die Inhaftierung von Kolesnikowa und Snak sollte eine abschreckende Wirkung auf mutige Protestierende haben«, schätzt Katharina Masoud, Europa-Expertin bei Amnesty International in Deutschland. »Die heutige Verurteilung soll den Millionen von Menschen nun endgültig die Hoffnung auf friedliche Veränderungen nehmen.«
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