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- Klimaschutz und FDP
Nicht regierungsfähig
Die FDP fällt derzeit durch eine aggressive Rhetorik im Wahlkampf auf – und durch unzureichende Konzepte beim Klimaschutz
Es bleibt keine Zeit mehr, das hat der Weltklimarat IPCC mit seinem jüngsten Bericht signalisiert. Die Erderwärmung ist weiter fortgeschritten als bislang angenommen. Wir haben Alarmstufe Rot, und alle wissen das. Die Klimapolitik wird folglich auf der Agenda der neuen Bundesregierung ganz oben stehen müssen. Getrieben wird sie von der Jugend: Die Fridays-for-Future-Bewegung ist durch den Corona-Lockdown nicht verstummt; überall werden Wälder, Straßen und Plätze besetzt, weil es allerorten noch immer Großprojekte gibt, bei denen die Belange des Umweltschutzes – wenn überhaupt – nur eine untergeordnete Rolle spielen.
Angesichts des Klimanotstands müsste aber längst jedes Projekt auf schädliche Umwelteinwirkungen überprüft und gegebenenfalls abgeblasen werden. Wer den Klimawandel ernst nimmt, muss umdenken und nach anderen Wegen zu wirtschaften suchen. Schließlich kann es auf einer begrenzten Erde kein grenzenloses Wachstum geben.
Ob Christian Lindner ein solches Bewusstsein hat, darf bezweifelt werden. Er bemängelte unlängst, dass die Grünen ein sehr kleinteiliges Programm beim Klimaschutz vorgelegt hätten, das »unsere Industrienation zu einem Bullerbü mit Lastenfahrrädern machen will«. Das, so der FDP-Vorsitzende, sei nicht attraktiv.
Wahlkampf darf emotional sein, keine Frage, doch hackt derzeit so ziemlich jeder Neoliberale und Konservative auf dem Vorstoß der Grünen herum, den Kauf von Lastenfahrrädern zu fördern. Als wäre die Idee gänzlich absurd und ein Angriff auf die westliche Lebensweise.
Dabei ist der Vorschlag durchaus interessant: Die Grünen appellieren damit nämlich an das Bewusstsein aller, möglichst wenig Dreck und CO2 in die Umwelt zu pusten. Keine andere Partei formuliert derzeit Ähnliches. Bei den vergangenen Wahlen haben auch sie darauf noch bewusst verzichtet. Zu schmerzhaft waren die Erinnerungen an den Veggie-Day, jenen Vorschlag, einmal in der Woche in öffentlichen Kantinen fleischlose Gerichte anzubieten, den die Partei bei der Bundestagswahl vor acht Jahren in ihr Programm schrieb und der ihr den Ruf einbrachte, reglementierungswütig zu sein. Folglich hatten sie das Image, verbissene Ökos zu sein. Beharrlich vermieden die Grünen es in den folgenden Jahren, dieses Image zu bedienen, was durchaus erfolgreich war: Sie gewannen bei den Wahlen vor allem im bürgerlichen Lager deutlich an Stimmen hinzu.
Jetzt also angesichts der Klimakrise eine Abkehr von der Strategie und die Forderung nach einer Förderung von Lastenrädern, verbunden mit der Aufforderung, dass Klimaschutz alle angeht und auch ruhig Fußarbeit sein darf. Es ist ein Appell an die Vernunft, die an dem passionierten Porschefahrer Lindner abprallt.
Die Liberalen selbst bieten nur wenige Vorschläge zum Klimaschutz an, als hätten sie die düstere Prognose des Weltklimarates gar nicht zur Kenntnis genommen. Sie setzen auf eine technische Transformation, hervorgebracht durch die Kräfte des freien Marktes. CO2-Zertifikate sollen garantieren, dass die Unternehmen weiterhin in aller Ruhe arbeiten können; Arbeitsplätze und Wohlstand sollen nicht gefährdet werden. »Nie gab es mehr zu tun«, lautet einer der FDP-Slogans. Die Wirtschaft soll brummen – hoch entwickelt, smart und irgendwann auch emissionsarm. Klimaschutz braucht der FDP zufolge keine individuelle Anstrengung, wie die Grünen es verlangen, sondern komme von alleine. Nur eines ist auch klar: Diese Art zu wirtschaften wird wohl mehr Energie denn je brauchen. Und völlig unklar ist, woher die kommen soll.
Nun sehen nicht wenige die die Liberalen nach der Bundestagswahl möglicherweise als Zünglein an der Waage bei der Bildung eines wie auch immer gearteten Dreierbündnisses. Gerade erleben sie einen Höhenflug, was aber wohl nicht an ihrem eigenen Wahlkampf liegt, sondern eher am strauchelnden Unions-Spitzenkandidaten Armin Laschet. Für eine Regierungsarbeit ist die FDP jedenfalls nicht geeignet. Wer sich um den Klimaschutz nicht kümmert, wird nicht die Weichen in eine lebenswerte Zukunft stellen können. Die Betroffenen von der Flut im Ahrtal werden das wohl auch so sehen.
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